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Re: Urteile im Zusammenhang mit dem SGB II (Hartz IV) - Mut zu Klage vor dem Sozialgericht |
Beitrag Kennung: 30035
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LSG Nordrhein-Westfalen - L 9 B 87/06 AS ER - Beschluss vom 29.09.2006, Volle Leistung im einstweiligen Rechtsschutz
Auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist die volle Regelleistung zuzusprechen, da insofern ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens wegen des Bedarfsdeckungsgrundsatzes nicht zumutbar ist, eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber Fallgestaltungen nach § 86b Abs. 1 SGG so vermieden werden kann und angesichts der Abschaffung der Einmalleistungen ein Teil der monatlich gewährten Regelleistung angespart werden muss, um bei entstehendem Bedarf auch größere Anschaffungen tätigen zu können.
LSG Nordrhein-Westfalen - L 1 B 29/06 AS - Beschluss vom 19.10.2006, Zur Rechtsfolgenbelehrung vor Sanktionen nach § 31 SGB II
Die Rechtsfolgenbelehrung hat Warn- und Erziehungsfunktionen, darf sich nicht in einer bloßen Formalie oder formelhaften Wiederholung des Gesetzestextes erschöpfen und muss darüber hinaus konkret, eindeutig, verständlich, verbindlich und zutreffend die unmittelbaren und konkreten Auswirkungen eines bestimmten Handelns vor Augen führen. Ihrem Inhalt nach muss sie über die Absenkung bzw. den Wegfall als solchen belehren, sowie auf Beginn, Dauer und den Ausschluss von ergänzenden Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) hinweisen. Nicht hinreichend sind in der Vergangenheit erteilte Belehrungen oder allgemeine Merkblatthinweise. Die objektive Beweislast dafür, dass eine den Erfordernissen des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II entsprechende Rechtsfolgenbelehrung erteilt worden ist, trägt der Träger der Grundsicherung.
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 SO 5514/05 - Urteil vom 21.09.2006, Zur Anrechnung von Blindengeld
Eine Anrechnung des nach § 64 SGB XII gewährten Pflegegeldes kommt weder auf das Bundesblindengeld noch auf das Landesblindengeld in Betracht.
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 3 ER 148/06 AS - Beschluss vom 04.10.2006, Keine Pauschale für Nebenkosten
Nebenkosten sind entsprechend den tatsächlichen Kosten zu gewähren. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass die Behörden berechtigt sind, diese pauschaliert festzusetzen. Der Gesetzgeber hat von der Verordnungsermächtigung in § 27 Nr. 1 SGB II bislang keinen Gebrauch gemacht. Hieraus ergibt sich, dass Leistungsträger keine Pauschalen für Heiz- oder Nebenkosten ohne Prüfung des konkreten Einzelfalles zur Grundlage ihrer Leistungserbringung machen dürfen.
Der Leistungsträger ist verpflichtet, darauf hinzuweisen, welche Anforderungen hinsichtlich der Wohnungsgröße sowie den Kaltmietpreis/m² Wohnfläche zu erfüllen sind. Ferner hat er den Hilfebedürftigen darüber aufzuklären, dass die Bemühungen um eine seinen Vorgaben entsprechende Wohnung nachzuweisen sind.
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 B 178/06 AS ER - Beschluss vom 07.09.2006, Existenzgründungszuschuss als Einnahme privilegiert
Der Existenzgründungszuschuss ist nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II privilegiert. Nach dieser Vorschrift sind Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen, nicht als Einkommen zu berücksichtigen (Anmerkung der Redaktion: Beim BSG sind diesbezüglich die Revisionsverfahren B 7b AS 16/06 R und B 7b AS 20/06 R anhängig).
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 9 AS 409/06 ER - Beschluss vom 11.09.2006, Renovierungskosten sind Unterkunftskosten und müssen nach § 22 SGB II übernommen werden
Unter Wohnungsbeschaffungskosten werden nur die Aufwendungen verstanden, die mit dem Finden und Anmieten einer Wohnung verbunden sind. Dagegen dienen Renovierungskosten nicht der Erlangung einer neuen Wohnung. Dies ergibt sich hinsichtlich der Auszugsrenovierung ohne weiteres. Aber auch die Kosten für die Einzugsrenovierung dienen letztlich nicht der Erlangung der Wohnung. Sie haben vielmehr die Funktion, die neu angemietete Wohnung für die Belange der Leistungsberechtigten herzurichten.
Sowohl die Auszugsrenovierung als auch die im Zuge des Einzugs notwendigen Renovierungsarbeiten gehören direkt zum Unterkunftsbedarf i. S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Norm werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Kosten für Schönheitsrenovierungen sind im angemessenen Umfang zu übernehmen, wenn sie vertraglich vereinbart sind. Die angemessenen Unterkunftskosten i. S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfassen nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch einmalige Aufwendungen, die mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Unterkunft zusammenhängen.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 14 B 518/06 AS ER - Beschluss vom 28.09.2006, Zur Rechtmäßigkeit von Arbeitsgelegenheiten
Die Voraussetzungen für das Angebot einer Arbeitsgelegenheit liegen bereits vor, wenn der Antragsteller - wie hier - seit 2, 5 Jahren arbeitslos ist. Die Möglichkeit der Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten hängt nicht davon ab, dass vorher Arbeitsgelegenheiten des 1. Arbeitsmarktes nachgewiesen worden oder sonstige Vermittlungsbemühungen gescheitert sind.
Eine Leistungskürzung setzt voraus, dass das Angebotsschreiben alle Informationen enthält, die der erwerbsfähige Hilfebedürftige benötigt, um das Angebot einer Arbeitsgelegenheit insbesondere auf ihre Zumutbarkeit prüfen zu können.
Zu Angeboten von Arbeitsgelegenheiten, bei denen es sich rechtswidrig nicht um eine im öffentlichen Interesse liegende zusätzliche Arbeit handelt.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 14 B 1378/05 AS PKH - Beschluss vom 26.09.2006, Ausschluss von Mehrbedarfen für erwerbsfähige Behinderte verfassungswidrig
Ein Mehrbedarf ist für erwerbsfähige behinderte Menschen in § 21 Abs. 4 SGB II nur vorgesehen, wenn sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Sozialgesetzbuchs, Neuntes Buch (SGB IX) oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Sozialgesetzbuchs, Zwölftes Buch (SGB XII) erhalten. Im Übrigen sind abweichende Festlegungen des Bedarfs ausdrücklich ausgeschlossen (§ 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der Fassung des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes). Unberücksichtigt bleibt daher ein Mehrbedarf erwerbsfähiger behinderter Menschen außerhalb einer geförderten Tätigkeit oder Ausbildung. Fraglich ist indessen, ob deren Benachteiligung gegenüber den Empfängern von Sozialhilfe, bei denen die Festsetzung eines abweichenden Bedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII möglich ist, oder den Empfängern von Sozialgeld, für die in § 28 Abs. 1 Nr. 4 SGB II in der Fassung des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert der Regelleistung vorgesehen ist, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des SGB IX mit dem Merkzeichen G sind, verfassungsrechtlich zulässig ist. Vor dem Gleichheitsgrundsatz und dem Sozialstaatsgebot (Art. 3, 20 des Grundgesetzes) erscheint nicht unproblematisch, dass einem bestehenden unabweisbaren Sonderbedarf nicht durch besondere Leistungen Rechnung getragen werden soll.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 10 B 617/06 AS PKH - Beschluss vom 07.09.2006, Einkommensberücksichtigung im Zuflussmonat
Nach § 2 Abs 2 Satz 1 der auf der Grundlage von § 13 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ergangenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen (…Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies bedeutet z.B. dass am 01. Juli 2005 dem Konto des Klägers gutgeschriebene Überbrückungsgeld für den Vormonat (Juni) als Einkommen für die Zeit vom 01. Juli bis 30. Juli 2005 anzurechnen ist. Die Regelung in § 2 Abs 2 Satz 1 Alg II-V wird von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 SGB II gedeckt und steht mit höherrangigem Recht im Einklang; sie entspricht im Übrigen auch der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Einkommensanrechnung bei der Arbeitslosenhilfe.
Bayerisches Landessozialgericht - L 7 AS 100/06 - Urteil vom 14.09.2006, Kindergeld Einkommen des Elternteils
Die Weiterleitung des Kindergeldes durch den Kindergeldberechtigten, nachdem er es in Empfang genommen hat, ändert nichts an der Anrechnung des Kindergeldes bei ihm als Einkommen. Sonst läge es in der Hand des Antragstellers, ob und in welchem Umfang er bedürftig im Sinne des SGB II ist. Gleiches muss gelten, wenn er das Kindergeld direkt an die Kinder auszahlen lässt. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob das Kindergeld über den “Umweg” des Klägers oder auf dessen Wunsch direkt an die Kinder fließt. In diesen Fällen der reinen Zahlungsanweisung, die der Kläger auch jederzeit widerrufen kann, muss lediglich ein erleichterter Weg gesehen werden, auf dem der Kläger das Kindergeld an die Kinder weiterleitet.
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