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RE: ein platz für informationen |
Beitrag Kennung: 926350
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Zitat: |
2009 wollte Terry Jones, Pastor einer fünfzigköpfigen Gemeinde in Florida, die Botschaft verbreiten, der Islam sei des Teufels. Also schrieb er sie auf ein Schild, das er vor seiner Kirche aufstellte. Was die globale Resonanz betrifft, nun ja – nicht allzu viele Leute kommen durch Gainesville, Florida. Und wer den Ruf des Mannes kannte, stöhnte und verdrehte die Augen. Der wiederum wollte mehr Aufmerksamkeit. Also drohte er, den Koran zu verbrennen.
Was er vorhatte, sickerte durch, und zivilgesellschaftliche Organisationen forderten den Pastor in Presseerklärungen auf, die widerwärtige Aktion zu unterlassen. In der Lokalpresse schalteten sich Journalisten ein. Die Sache begann zu eskalieren, erst recht, als die lokalen Storys zu Yahoo-Nachrichten wurden. Die Aufmerksamkeitsspirale trug den Pastor schließlich bis ins CNN-Programm, und Hillary Clinton, damals Außenministerin, beschwor ihn, auf die Aktion zu verzichten. All das verschaffte Jones, zumindest eine Zeit lang, weltweite Aufmerksamkeit. Als die wieder abflaute, erneuerte er seine Drohung. Doch diesmal schenkten ihm die Nachrichtenmedien, klüger geworden, keine Beachtung. Also machte er 2011 seine Drohung wahr und organisierte tatsächlich die öffentliche Verbrennung eines Korans.
Zwar erschien kein Vertreter irgendeines relevanten Mediums auf der Bildfläche, um das Schauspiel zu beobachten, wohl aber ein kaum bekannter Blogger. Und der öffnete eine Schleuse in die Regionalblätter. Als das Thema dort diskutiert wurde, fühlten die überregionalen Blätter sich genötigt, über die Kontroverse zu berichten. Und da überregionale Zeitungen in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, verbreitete sich die Nachricht von der widerwärtigen Aktion eines unbedeutenden Pastors, hinter dem kaum jemand stand, alsbald weltweit. Ein Spektakel wirkt aber immer größer, wenn die „New York Times“ ihm Beachtung schenkt. Schließlich kam es rund um den Globus zu Ausschreitungen. Eine davon, in Afghanistan, endete mit mindestens zwölf Toten, darunter sieben UN-Mitarbeiter. |
[Quelle: Danah Boyd: Wider die digitale Manipulation. Die verborgene Macht der Algorithmen, Teil I. Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2018, S. 82-83]
Man könnte fast sagen: ein Lehrstück.
Aber nur fast.
Beim nächsten Mal wird es nämlich wieder so laufen.
Der Mob bekommt ein paar Hetzinformationen vorgeworfen.
Und reagiert wie – der Mob.
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