Betteln: Eine zumutbare Arbeit
Der ALG II-Leistungsberechtigte, der sich zu seinem Regelsatz noch einige Groschen dazubettelte, kam in den letzten Wochen zu einer kleinen Öffentlichkeit. Der Druck durch die Medien zeigte Wirkung: Er darf den Notgroschen behalten. Ist das ein Erfolg?
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Nach einem neuerlichen Widerspruch, hat man sich jetzt doch geeinigt – so konnte man das letzte Woche im Blätterwald lesen. Der arbeitslose Bettler dürfe sein Geld behalten, las man gar. Generös, generös! Ging man dann aber in medias res, wurde unzweideutig klar, dass dem so nicht ist. 204,50 Euro darf der Mann nun Monat für Monat erbetteln. Wenn er drüber kommt, verrechnet man es mit seinem Leistungsbezug. 100 Euro jedes Einkommens sind ja bei jedem Leistungsberechtigten ohnehin frei und werden nicht angerechnet. Desweiteren sind von jedem Euro darüber (bis zu einer Summe von 800 Euro) 20 Prozent unantastbar. Weitere 21 Euro fallen nach dieser Rechnung nicht dem Rotstift zum Opfer. Aber 83,50 Euro schenkt das Jobcenter ihm. Widerspruch lohnt sich, die Presse zu informieren kann Resultate zeitigen!
Könnte man jetzt ein bisschen denkfaul denken! Grundsätzlich ist dieser Kompromiss aber faul. Das Jobcenter macht das Betteln salonfähig, gibt zudem indirekt zu, dass man vom aktuellen Regelsatz kaum leben kann. Im Grunde lautet die Botschaft, die uns da als gute Neuigkeit verkauft wird: Ihr Langzeitarbeitslosen habt wenig Chancen auf richtige Arbeit, aber ihr könnt immer noch betteln. Und wenn ihr es tut, rechnet sich das für euch mehr als ein kleiner Job. Denn es winken 80 Euro mehr in der Tasche. Na, ist das nichts? Setz dich auf die Straße und zeige Mitwirkung. Dieser Kompromiss ist eine ziemlich böse Entwicklung. Er ist vermutlich folgerichtig in der ganzen Aufmachung von Hartz IV, aber deshalb doch trotzdem eine miese neue Ausgangslage. Jetzt wird Bettelei am Ende noch zur Pflicht jedes Arbeitswilligen.
Insofern könnte man ja jetzt jedem Arbeitslosen, dem Hartz IV zusteht, einen Strick aus seiner Bettelverweigerung drehen. Denn Betteln, das ist offenbar zur Jahreswende 2017/2018 eine ganz normale Art, sein Einkommen zu erzielen. Die einen kontrollieren Börsenalgorithmen, die anderen schlagen an der Straßenecke einen Klappstuhl auf: Das Heer der Erwerbstätigen – jeder guckt auf seine Weise, wie er sein Einkommen generiert. Und wenn sich die Sachbearbeiterin mal wieder aus der Not heraus in die Fußgängerzone sputet, kann sie den Bettler, der bei ihr Kunde ist, als Werktätigen kollegial grüßen.
416 Euro wird ab 2018 der Regelsatz für Alleinstehende betragen. Die Linkspartei fordert seit Jahren mindestens 500 Euro. Mit dem Bettelfreibetrag ist diese magische Schwelle ja schon beinahe erreicht. Dieser linke Zeitgeist ist echt ein Fuchs... |