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prospero   prospero ist männlich Zeige prospero auf Karte FT-Nutzer
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04.09.2007 ~ 15:30 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61236
gelesener Beitrag - ID 61236


Teil 1

Wenn das Leben es so möchte ... wenn ein Mensch sich nicht abgefunden hat, wenn er nach sieben Jahren „Wartezeit“ aufgebrochen ist, zumindest den Aufbruch plant ... Wenn ein Mensch eben, weil das Leben es so möchte und weil er dies selbst vom Leben verlangt, dies vorhat, beginnt ein unglaubliches Abenteuer. Nicht, weil er in die Südsee, in die Sahara oder in die Arktis aufbricht. Nein, nur weil dieser Mensch mit 39 Jahren beschlossen hat, noch etwas aus seinem Leben zu machen, bevor es zu spät sein könnte, weil die Gesellschaft, das wirtschaftspolitische System des Landes, in welchem er lebt, so ist wie es ist. Das Problem dieses Menschen ist, daß er nach einer auch nicht so ganz abenteuerfreien Erwerbsbiographie als Öffentlichkeitsarbeiter, Rundfunk- und TV-Moderator, als Leiter einer Werbeagentur, als Teilzeitarbeiter bei einer Telefongesellschaft, dies alles immer begleitet von verschiedenen künstlerischen Tätigkeiten als Sprecher, Autor, Regisseur, Schauspieler ... daß er nach all dem ein ALG-II-Empfänger geworden ist. Sogar sozusagen über Nacht. Geschehen vor allem dadurch, daß er als Arbeitsloser die Erziehungszeit für seinen Sohn in Anspruch nahm, diese mit einer Rund-um-die-Uhr Betreuung eben eines kleinen Babys ausfüllte und nach deren Ende mit dem Wunder eines neuen Gesetzes, dem SGB II, im Volksmund auch „Hartz IV“ genannt, konfrontiert wurde. Und somit auch mit der Tatsache, daß sein Leben fortan ein – wirtschaftspolitisch betrachtet – wesentlich unwerteres war als vorher schon. Aber das ging ihm erst sehr viel später wirklich auf.
(Fortsetzung folgt)



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prospero   prospero ist männlich Zeige prospero auf Karte FT-Nutzer
287 geschriebene Beiträge
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04.09.2007 ~ 15:35 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61237
gelesener Beitrag - ID 61237


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 2

Ein wenig hatte sein Problem auch mit der Stadt zu tun, in welcher er lebte, als ihn das damals neue Gesetz ereilte. Es war die wunderschöne BUGA-2007-Stadt Gera in Ostthüringen, sozusagen im ökonomischen Osten des Ostens Deutschlands, einer Stadt, in welcher, wie er später erfuhr, mehr als über 50% der Bevölkerung mittelbar und unmittelbar von den sogenannten „Hartz-IV“-Segnungen betroffen waren. Heute mögen es mehr sein oder auch nicht. Daß es mittlerweile weniger sein könnten, glaubt er nicht. Vielleicht mal im Jahr 2007 durch die Vergabe zahlreicher 1€-Jobs an die Betreiber der BUGA. Schwierig war es für ihn auch, in seiner bisherigen Tätigkeit weiter zu arbeiten, oder besser gesagt wenigstens in einer seiner bisherigen Tätigkeiten. Denn nach der Pleite des regionalen TV-Senders, für welchen er vorher arbeitete, sah er viele ähnliche Unternehmen wie Film- und Tonstudios entweder in eine andere Gegend verziehen oder in die Geschäftsaufgabe schlittern, aber nicht nur alleine Unternehmen dieser Art. Obwohl er selber sehr viele Projekte unternahm und vorantrieb, obwohl er in dieser ca. 100.000 Einwohner umfassenden Stadt bekannt war wie ein „bunter Hund“, gar sich mit den meisten der dortigen Honoratioren dieser Stadt duzte, nützten ihm all seine Unternehmungen und Ideen zwar künstlerisch und nützten auch dem dankbaren Publikum, jedoch nichts für den damit verbundenen geplanten Aufbau einer existentiellen Grundlage.
(Fortsetzung folgt)



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prospero   prospero ist männlich Zeige prospero auf Karte FT-Nutzer
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04.09.2007 ~ 15:40 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61238
gelesener Beitrag - ID 61238


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 3

Es gab auch mal eine Zeit, in der er berufstätig war, in dieser Zeit als Öffentlichkeitsarbeiter, da war er 25. Es gab diese Zeit, da befürchtete er ein wenig, wie viele vielleicht in diesem Alter es befürchteten, die einen festen Job dieser Art bei einem kommunalen Arbeitgeber hatten, dies könne nun vielleicht schon alles gewesen sein. Da kam – wie man so schön ausdrückt – plötzlich und unerwartet ... ein Ruf aus Dresden, drang zu ihm. Ein Ruf mit einem Angebot, welches der künstlerisch, satirisch und literarisch versierte junge Mann nicht ausschlagen konnte. Der Rufende bot ihm das Management einer neuen Band an und auch, die Texte für diese zu schreiben. Da er schon einmal eine Band aus Dresden managte, wußte er, daß es sich sehr schwierig gestalten würde, würde er es von Stralsund – dies war die Stadt, in welcher er damals lebte - aus betreiben. Also gab er seinen Job auf und zog nach Dresden. Dort managte er jene Band und bereits drei Wochen später, mit Hilfe eines unglaublichen Zufalls, hatte er eine eigene gut bezahlte Radiosendung in einem regionalen Radiosender der Stadt Dresden. An eben jene Situation erinnerte sich der mittlerweile 39jährige ALG-II-Empfänger, als ihn ein ähnlicher Ruf aus Berlin erreichte. Und noch viel mehr fiel ihm diesmal dazu ein. Denn der neuerliche Ruf, der aus Berlin, war ähnlich wie der damals aus Dresden, der nach einer künstlerischen Zusammenarbeit. Eine künstlerische Zusammenarbeit mag, so sagte er sich, wenn es gut geht, auf längere Dauer erfolgversprechend werden und sich in der Tat, nach einigen Jahren, sogar zu einem richtigen Job entwickeln. Aber zumindest alle, die dieses „Geschäft“ kennen, wissen auch, daß genau dies alles andere als sicher ist, wenn man „beginnt“. Und auf jeden Fall ist es erst einmal kein richtiger Job, rein vom Verdienst aus betrachtet. Aber, so sagte sich der Prekäre weiter, Berlin ist auch eine große Stadt. In einer großen Stadt wie Berlin gibt es vielleicht nicht die optimalsten Arbeitsplätze. Wo gibt es die auch schon noch in dieser neoliberalen Welt? Aber mit Sicherheit gibt es dort irgendetwas zu tun, was der Prekäre kann und womit er sich eine existentielle Grundlage schaffen könnte. Zumindest eine, welche dem Regelsatz von Hartz IV zuzüglich den Unterkunftskosten gleichkommt und ihn aus den Fängen des immer unheimlicher werdenden „Amtes“ befreien könnte. Wie unheimlich diese Fänge, aber auch die Stricke dieses Amtes wirklich sind, konnte er damals interessanterweise im Grunde nur ahnen, doch in diesen sich dann nach und nach offenbarenden grausamen Ausmaßen nicht einmal das. Und er war auch nicht auf die Tücken und Fallen des Molochs Berlin vorbereitet. In dieser Frage hatte er sich wohl auch selbst ein wenig überschätzt. Aber aus solchen Erfahrungen, die er damit gemacht hatte, konnte er ja immerhin noch etwas lernen und mit der Zeit immer besser damit umgehen. Gegen die Willkür des „Amtes“ blieb er jedoch oft weiter machtlos und manchmal kam es ihm dabei wie ein Strudel vor, welcher ihn immer mehr und mehr in eine unbeschreibliche existentielle Not hineinriß, in einen durchaus tödlichen Abgrund, sogar während er heftig mit den Armen rudernd versuchte, sich dagegen zu wehren und andererseits weiter versuchte, eine existentielle Grundlage in der riesigen großen Stadt zu finden, die ihn aus dem brutalen mordenden Spiel der Willkür ihm gänzlich unbekannter Menschen aus dem „Amt“ befreien könnte, zumindest teilweise. Aber leider sind Menschen nicht nur unmenschlich und rücksichtslos in dieser Welt und in dieser Zeit, wenn sie in einem anonymen Amtszimmer arbeiten, sie sind es auch so, wie man wohl weiß.
(Fortsetzung folgt)



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04.09.2007 ~ 15:42 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61239
gelesener Beitrag - ID 61239


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 4

Worum es geht in diesem Leben ist mehrererlei und schlussendlich sollte man schon diese Erkenntnis akzeptieren, zumindest tolerieren oder es versuchen zu tolerieren. Letztendlich jedoch wage ich zu behaupten, dass auf den Ebenen, auf welchen ich böswillig gestimmten Menschen begegnet bin, selbst dann, wenn ihnen ihre Bösartigkeit nicht einmal wirklich bewusst ist, diese Menschen hauptsächlich von zwei Antriebskräften geleitet werden. Beide Antriebskräfte können zusammen, aber auch vereinzelt auftreten. Beide Antriebskräfte hätten jedoch keinerlei Wirkkraft, nicht in diesem von unserem Prekären erlebtem Sinne, würden die Menschen, die sich von ihnen leiten lassen, sich nicht dazu eher noch treiben eher noch jagen lassen. Sie hätten keinerlei Wirkkraft, würden sich diese Menschen nicht in ihrem ganzen Wesen, sich nicht voll und ganz nur auf sich selbst konzentrieren, ein umso fatalerer Umstand, da sie sich – sowohl hier als auch dort – ihren Lebensunterhalt damit verdienen, sich ... theoretisch ... voll und ganz auf die Belange, Bedürfnisse und Nöte anderer Menschen zu konzentrieren. Doch gerade in der Erfüllung dieser Aufgabe, gerade in dieser Tätigkeit, sind sie absolut nur auf sich selbst konzentriert, eben wegen jener beider Antriebskräfte. Und schon wird bereits offenbar, dass es sich dabei größtenteils um Menschen handelt, die sich, wie an einer Nabelschnur hängend, in einem scheinbar unauflöslichem Teufelskreis selbst auferlegter, aber auch eingebildeter psychischer Zwänge befinden. Es handelt sich in diesen Fällen um Menschen mit mangelndem oder zumindest massiv gestörtem Selbstbewusstsein, welchen sie zu kaschieren versuchen durch unnötige Härte, eigentlich einer Maske, gegenüber anderen Menschen, welche sich in Abhängigkeit von ihrer beruflichen Tätigkeit befinden, um ja auch nicht nur ein wenig von dem groben Panzer zu öffnen, mit dem sie sich gegen die Außenwelt abgeschirmt haben. Doch kann man den Mangel an Selbstbewusstsein und die nicht vorhandene soziale Kompetenz als Außenstehender eben aber genau an dieser Art von Härte erkennen und auch, dass die beiden von mir erwähnten Antriebskräfte Besitz von ihnen ergreifen konnten. Und zwar ohne Not. Denn ein selbstbewusster, sozial kompetenter ist immer auch ein empathischer Mensch, gerade auch gegenüber diesen beiden Antriebskräften. Er ist es insoweit, indem er sie kennt, auch aus eigenem Erfühlen und Empfinden, sich aber dennoch und gegen ihre Treibkraft sich nie hauptsächlich von ihnen treiben lässt. Diese beiden Antriebskräfte, von denen ich nun die ganze Zeit sprach und denen unser Prekäre auf seiner von mir zu beschreibenden Odysee innerhalb kürzester Zeit heftigst und häufig in der Begegnung mit anderen Menschen, die sein Schicksal beeinflussen sollten oder wollten, ausgesetzt war, sind: die Angst und die Gier.
(Fortsetzung folgt)



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04.09.2007 ~ 15:48 Uhr ~ prospero schreibt:
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61241
gelesener Beitrag - ID 61241


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 5

Doch hat der Prekäre auch andere Erfahrungen mit anderen Menschen machen dürfen. Nämlich die von Unterstützung und Solidarität. Und das ausgerechnet zum größten Teil von Menschen, welche selbst in prekären Situationen leben und die sich nicht scheuten, ihm die Hand zu reichen und einiges überlebenswichtige als Gabe obendrein, zum Beispiel ein Bett für einige Nächte und etwas zu essen über einige Tage. Ein Bett und etwas zu essen in Kreuzberg bei einer Arzthelferin. Ein Bett und etwas zu essen im Prenzlauer Berg bei einer freischaffenden Regisseurin. Jeden Abend, wenn er zur Probe eines Theaterprojektes ging das Teilen von Brot und Radieschen mit einer Mitdarstellerin, die eigentlich Bildhauerin ist, aber nun selbst prekär lebt wie so viele Künstler, die den Schritt unter die Oberflächen dieser Welt wagen und ihre Kunst nicht wie billiges Discounterdekor zum Markte tragen, weil Kunst einfach immer noch Seele ist, egal was das Fernsehen uns einzureden versucht. Etwas zu essen, immer mal wieder, im Wedding, bei einer künstlerischen Mitstreiterin, selbst Empfängerin von Hartz IV, mal gereicht bei seinen Besuchen bei ihr zu Hause, mal gereicht auf einer der gemeinsamen Proben. Ein Bett und etwas zu essen und wohl gefälliger Trank in Form von Kaffee und Radler zum Abend bei einer Kindergärtnerin in Köpenick, welche ihm letztendlich für die Mitnutzung ihrer Wohnung einen Untermietvertrag anbot, bis sich seine tiefe vor allem amtsverschuldete Prekariarität im Sinne einer Existenzgrundlage im monetären Bereich Zero aufgehoben haben wird. Ein Bett und etwas zu essen bei einem Montagearbeiter in Gera für den letzten Monat, in welchem er in dieser Stadt weilte, wo er mindestens anderthalb Wochen lang vom Amts-Pontius zum Amts-Pilatus geschickt wurde (wie er später zufällig erfuhr, scheint das in dieser Stadt ein sehr beliebtes Spiel zu sein, die Menschen von Zimmer zu Zimmer zu schicken und jede Zuständigkeit für Menschen wie einen schwarzen Peter weiterzureichen), bis er endlich aufgrund der scheinbaren – im Grunde offensichtlichen – Unkenntnis oder der scheinbaren – im Grunde offensichtlichen – Verweigerungshaltung der dortigen ARGE-Mitarbeiterinnen, richtige und im Tonfall ordentliche Auskünfte zu geben, welche mal nicht den Auskünften widersprachen, die sie selber bereits mal gaben oder andere Kolleginnen dieses Amtes, entnervt aufgab und entschied, zwar das Seine zu tun, soweit es in seinen Möglichkeiten stünde, um diesen bei Arbeit aufgescheuchten Hühnerhaufen mit Informationen zu füttern, damit die latent faschistoiden (denn man merkt ihnen wohl an, dass sie die nervigen Kundinnen und Kunden lieber mal kurz duschen schicken würden, weil sie meinten, es würde ihr Leben wesentlich vereinfachen) Gackerinnen etwas zu picken hatten. Er beschloß also seiner sogenannten Informationspflicht nachzukommen, doch ansonsten den Dingen ihren Lauf zu lassen und vor allem diese Brutstätte psychischer Störungen und Labilitäten in den Zimmern (nicht mit den Warteräumen verwechseln) nie wieder zu betreten, wenn es nicht unbedingt für die Rettung des Überlebens unvermeidlich wäre. Trank und Speise gab es auch von Elle, einem Arbeiter, seinem Bruder, seiner Schwägerin, seinem Freund aus Gera, dargereicht in Berlin auf einem kubanischen Volksfest, wo sich der Prekäre mit diesem Kumpel und eben jenen anderen tollen Menschen traf. Sogar ein Buch hat sein Geraer Freund ihm in Berlin geschenkt, denn auch geistige Nahrung war unserem Prekären in dieser heftig schrecklichen und hungrigen Zeit sehr willkommen. Ob er ohne all diese Hilfe, auch noch von einigen anderen guten Menschen geleistet, diese Zeit überlebt hätte, vermag er im Nachinein selbst nicht mehr zu sagen. Vermutlich schon, denn auch finanzielle Hilfe wurde ihm angeboten. Von einer Lyrikerin aus Gera, welche er dann schlussendlich – als das Amt in Gera beschloss, ihn verhungern zu lassen und ihm jedwede Gelder und soziale Unterstützung zu verweigern, so sehr waren sie von seinen Besuchen genervt und schrieben als Begründung für dieses Verbrechen die Leugnung all jener Besuche, die sie so erbärmlich in seinen Augen am Ende erscheinen liessen, noch vor diesem faschistischen Amtsakt gegen ihn – in Anspruch nahm und von einigen anderen Menschen, deren Hilfe er nicht in Anspruch nahm, nicht nehmen wollte, nicht nehmen musste. Denn kaum irgendwann doch in Berlin angekommen, fand der Prekäre zumindest einen Nebenjob, mit dessen Hilfe es wenigstens für Speise und Trank dann reichte. Diese helfenden Menschen, von denen mir der Prekäre berichtete und von denen ich hoffe, keinen ausgelassen und vergessen zu haben, die ihm zeigten, wie wesentlich doch manchmal die kleinen Dinge und Gaben sind, wenn sie denn von Herzen kommen und ihm auch zeigten, was Freundschaft und Solidarität tatsächlich bedeuteten, außerhalb jedweder Phrasen und Worthülsen. Dies vor allem wohl wird dem Prekären bis ans Ende seines Lebens diese Zeit dann doch als wertvoll erscheinen lassen. So wie eine ähnliche Zeit, als er begann, aus Dresden nach Gera gelangend, in der Ostthüringer Stadt Fuß fassen zu wollen und in der er ähnliche unvergessliche und prägende gute Erfahrungen machen durfte aus einer fast gleichen Situation heraus, zum Beispiel durch die Hilfe einer Freundin, welche später seine Frau wurde.
(Fortsetzung folgt)



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04.09.2007 ~ 15:51 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61242
gelesener Beitrag - ID 61242


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 6

Manchmal, wenn ihn jemand fragt, erzählt er seine Erlebnisse wie ein Märchen. Verständlich, denn auch in den Märchen gibt es Gute und Böse und auch in den Märchen geht es nie ganz ohne Grausamkeiten zu. Märchen stellen ja auch immer einen Selbstfindungs- oder einen Selbstentwicklungsprozess dar, wenn auch mitunter sehr versteckt. Und war es in seinem Falle nicht auch ein sehr versteckter Selbstfindungs- oder Selbstentwicklungsprozess, auch wenn er anfangs überhaupt nicht ahnen konnte, nicht im leisesten, was da auf ihn zukommen würde auf dieser seltsamen „Reise“ durch die deutsche Realität. Ja, es war einmal ... und für viele ist es immer noch und für viel mehr vermutlich wird es mal so werden. Es war einmal, dass einer die Idee hatte, von Gera nach Berlin zu gehen ...
(Fortsetzung folgt)



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05.09.2007 ~ 14:21 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61400
gelesener Beitrag - ID 61400


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 7

Sieben Jahre lang (auch in den Märchen spielt die Zahl sieben eine große Rolle) war er nun, im Prinzip durchgehend, arbeitslos. Und er fand, es wäre an der Zeit, diesen tauben Zustand zu ändern. Und er fand, es wäre an der Zeit, noch einmal zu versuchen, etwas aus seinem Leben zu machen. Er nahm Abschied von Frau und Kind. Und er begann, einen neuen Weg zu gehen. Mehr als einmal ging er dabei, im guten Glauben voranzukommen, immer wieder im Kreis. Doch wer einmal aufgebrochen ist, der kehrt doch nicht wieder, selbst wenn er erst einmal nur Runden dreht. Nach seinem Abschied von seiner Familie ging er noch einmal zum Hause seiner Lehnsherrn, seiner Sklavenhalter, welches man in Gera ARGE nennt, weil dort den Menschen wohl besonders arg mitgespielt wird. Er beantragte dort Urlaub von seiner Leibeigenschaft an dieses Haus und seiner ungenutzten Fronverpflichtung für dieses, um sich in einer großen Stadt umzusehen. Um zu sehen, ob es in dieser großen Stadt für ihn nicht ein Bett und ein Brot und eine Arbeit gibt. Man entließ ihn für eine kurze Zeit tatsächlich aus den Fesseln der imaginären Sklaverei, auf dass er eine andere Fron oder aber sein Glück finden möge. So zog er denn auch in besagte große Stadt, wo er ein Bett fand und Brot und etwas zu tun in Form einer elektronischen Minne zusammen mit einer wunderbaren Musikantin und einem wunderbaren Musikanten. Etwas später stieß er durch Zufall auf einen Trupp von Gauklern. Auch mit diesen ließ es sich gut gesellig sein und arbeiten und so fühlte er sich schon gar nicht mehr fremd hinter den steinernen Toren im spielmännischen Schaffen mit all den guten und schönen Menschen zusammen. Doch da der Künstler Brot meist nur Luft und Liebe sind und der Applaus seine Butter, machte er sich nebenher auch auf, eine „ordentliche“ Arbeit zu suchen, mit der er sich das Geld für ein richtiges Bett und für richtige Butter verdienen möge. So gelangte er zu den Werbern ...
(Fortsetzung folgt)



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06.09.2007 ~ 09:39 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 61545
gelesener Beitrag - ID 61545


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 8

Die Werber, das waren Menschen, deren Aufgabe sie selbst darin verstanden, Kolonnen zu rekrutieren, also zu werben, auf dass diese Horden als durch den Äther schwirrende Raubritter wehrlose Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit überfielen, um mit dem süßlichen Säuseln wie das eines sanften Windes und dem schmierigen Behäuten eines Niesels deren letzten Gold aus den Beuteln zu entlocken, um es dann an verschiedene Fürstinnen und Fürsten zu verteilen, ohne dass ihnen bewusst wird, dass sie selbst für diese von ihnen ausgeführten Raubzüge nur mit einer blechernen Münze entlohnt werden, wenn überhaupt. Als hauptsächliche „Entlohnung“ dürfen sich diese Kolonnenleute eher täglich anhören, wie mies vorbereitet ihre letzten Raubzüge waren, wie schmal die Ausbeute war und wie dilettantisch sie überhaupt vorgegangen seien. Doch dies ist meist nie an dem gewesen. Hier hatten nur die Angst und die Gier ihren Machtbereich, die solches erzeugen. Denn nie reichte es den Fürstinnen und Fürsten, was die Kolonnen ihnen vor die Füße warfen an Gold und Schecks und Silbertalern. Und selbst dann, wenn die Überfallenen, weil es ja doch recht häufig geschah, längst die witzige Süsse der Kolonnenstimmen und den schmierigen Ekel ihres schleimigen Niesels durchschaut hatten, gaben die Fürstinnen und Fürsten der Räubereien nicht sich selbst und ihrer blödsinnigen Gier und ihren albernen Schlachtplänen hierzu die Schuld, welche aufgrund ihrer Durchschaubarkeit immer mehr dieser Überfälle vereitelten, sondern den Kolonnen. Ihr Frust kam von der Gier, die Schuldzuweisung an ihren Vasallen von der Angst der Erkenntnis ihrer sinnlosen Existenz, was ihnen den Fürstinnen und Fürsten vom Stamme des Amtes gleich sein ließ, sie waren Wesen vom selben Schlage. Die Angst beherrschte den Stamm der Werber auch deshalb, weil sie auch sie, wie die vom Stamme des Amtes, Herrinnen und Herren wiederum haben, für die sie die Leibeigenen sind. Es waren unsichtbare Phantome für die Kolonnen, die wiederum die Schuld den Fürstinnen und Fürsten gaben, obwohl es vielleicht doch eher die Schuld der unsichtbaren Phantome sein mag, dass nichts mehr gelang wie es sollte. Und sie drohten ihnen, die Phantome beider Stämme gleich im übrigen, es schien ein Prinzip dahinter zu stecken, ihnen ihre Fürstentum wieder wegzunehmen wie auch die für sie schuftenden Kolonnen und sie dorthin zurückzusenden, woher die meisten der räuberischen und betrügerischen Fürstinnen und Fürsten einst gekommen waren, in den tiefsten Sumpf menschlichen Gewinsels, woher ihre maßlos verkümmerten Seelen einst heraufkrochen und dazu beraubt jeglicher Grundlage dafür, ihre unersättliche Gier befriedigen zu können, es sei denn, sie würden sich, dann wieder zurück zu einem menschlichen Nichts zerstoben, ebenfalls für eine blecherne Münze von anderen neuen Fürstinnen und Fürsten, welche ebenfalls von sich wähnen, sie hätten gerade einen guten Platz in der Nahrungskette errungen, verdingen oder sich zumindest in die Leibeigenschaft der ebenfalls auf diese Weise tagtäglich gefährdeten gleichen Gesinnungsfürstinnen und –fürsten vom Stamme des Amtes begeben.
(Fortsetzung folgt)



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10.09.2007 ~ 12:54 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 62158
gelesener Beitrag - ID 62158


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 9

Schnell, als wäre er selbst einer der zahllosen wieder und wieder von den Kolonnen Überfallenen, durchschaute unser Prekäre, gepeinigt von Ekel, die wahren Gesichter der Werber hinter ihren bald fallengelassenen Masken, welche ihn selbst, erst säuselnd und mit falschen Versprechungen in die Kolonne lockten. Und er entfloh entsetzt ihrem schmierigen Niesel und ihrem Geruch nach Moder und Verwesung und falschem Schein hinter ihrer starken Parfümierung. Was ihn dabei sehr irritierte war die Tatsache, jedenfalls sein Eindruck, dass die Fürstinnen und Fürsten der Werber, aber auch die Kolonnen, ihre Wesenheit und ihr Tun sehr ernst nahmen und einige von ihnen diese sogar als eine nützliche Arbeit betrachteten, wenn auch nur nützlich für sie selber, was ihnen aber als Legitimation – und so glichen sie auch darin wiederum den Fürstinnen und Fürsten des Stammes des Amtes – vollkommen ausreichte als Sinn ihres Daseins, das Eigenerfüllte. Daß unser Prekäre nicht bei ihnen bleiben wollte, schien ihnen allen wohl auch recht zu sein, denn die für sie merkwürdigen und für ihn berechtigten Fragen, welche er ihnen stellte, machten sie irgendwann doch ein wenig nervös, wie ihm schien. Er war selber auch sehr traurig darüber, denn auch er ging ihnen anfangs auf den süßlichen Leim ihrer Versprechungen und Lügen, mit welchen sie die Kolonnen rekrutierten, und musste erkennen daran, dass er in seiner Hoffnung, eine richtige Arbeit zu finden, sehr enttäuscht war. So musste er denn also wieder von dannen ziehen, erst einmal wieder zurück in seine ostthüringische Stadt. Doch das sollte für ihn nicht gleich heißen, dass er die Hoffnung aufgegeben hätte, seinen durch ihn selbst für sich bestimmten Weg zu gehen.
(Fortsetzung folgt)



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12.09.2007 ~ 11:07 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 62394
gelesener Beitrag - ID 62394


ODYSEE EINES PREKÄREN Teil 10

Ja, so erzählt unser Prekäre es gerne. In Wirklichkeit war es noch viel schlimmer, was er in der Telefondrückerkolonne in der Berliner Zimmerstr. 69, direkt am Checkpoint Charlie übrigens, erlebte. Bei Bedarf können Interessierte die Telefon-Nummer, den Firmennamen und die genaue Adresse dieses Callcenters durch Googlen von „Berlin Zimmerstr. 69“ herausfinden. Falls dort mal jemand anrufen möchte, wenn er von NKL-SKL-Angeboten zu sehr genervt wurde oder mal einen kleinen Besuch abstatten möchte oder sich gar als Callcenter-Agent (sprich: Telefonist) bewerben. Kurz anmerken möchte ich, was der Prekäre damals noch nicht wusste, mir aber später erzählen konnte. Ab dem 1.1. 2008 sind Anrufe dieser Art verboten und man solle auch nie sein genaues Geburtsdatum angeben, auch nicht bei Callcenter-Anrufen im Namen der Telekom zum Beispiel, denn die Angabe des genauen Geburtsdatums gilt als Einverständnis zu einem Vertragsabschluß. Doch zurück zu unserer Geschichte. Als der Prekäre das SKL/NKL-Callcenter verließ, in dem er seine „Trainingsmaßnahme“ absolvierte, welche lediglich daraus bestand, unentgeltlich mit fremden Menschen zu telefonieren und ihnen Lottoverträge aufzuschwatzen, war er den Tränen nahe. Das Prinzip des Verdienstes bei einer Einstellung nach der Trainingsmaßnahme dort war, wie er mir kurz erklärte, ganz einfach. Der angestellte Telefonist erhält ein Fixum von brutto 1.200€. Ein verkauftes Los entspricht einer Provision von 45€ in diesem Fall. Um das Fixum zu verdienen, habe man 24 Lose zu verkaufen. Danach bekäme man die 45€ irgendwie hinzu. Verkauft man jedoch die nötige Anzahl an Losen nicht, also weniger als 24 in einem Monat, erhielte man auch das Fixum nicht. Insofern würde es sich um einen Scheinarbeitsvertrag handeln, der eigentlich ein Provisionsvertrag ohne Festgehalt oder Stundenlohn sei, so erklärte er mir. Das wäre auch der Grund, weshalb die Fluktuation so groß sei, dass die Callcenter dieser Art ein Durchlaufpersonal haben und sonst im Grunde keines und da täglich neue Menschen angelernt werden müssten, habe man sich als alleinige Methode auf den Druck konzentriert, den auszuüben jedoch die Gedrückten wiederum auf die Angerufenen ausüben, was letztendlich zwangsläufig dazu führt, dass sie ihr eigenes Geschäft selber so sehr rufschädigen, dass es keine Zukunft haben kann. Aber es wird ja ohnehin verboten. Aber wer weiß, welche Methoden sich diese Mafiosis noch ausdenken werden, um ihre schmierigen Geschäfte weiter zu führen*. Unser Prekäre steht in gutem Kontakt zu verschiedenen Telefonistinnen und Telefonisten aus den verschiedensten Verkaufsbereichen, so dass ich etwas Hoffnung habe, hierüber die neuesten Schliche, Tricks und Kniffe dieser Verbrecher zu erfahren. Ihm selbst ging es also nach diesem sogenannten Schulungstag, der keine Schulung beinhaltete, ziemlich schlecht. Er war den Tränen und einem Nervenzusammenbruch nahe. Und vielleicht hätte er auch wirklich einen Zusammenbruch erlitten, wenn nicht die Arzthelferin, bei der er zu dieser Zeit gerade übernachtete, sich kurzerhand entschlossen hätte, mit ihm ein Bier trinken zu gehen. So wurde für ihn aus dieser Miserere mental gesehen noch ein sehr schöner unterhaltsamer Abend und am Ende dieses Abends konnte er zumindest über dieses für ihn sich einprägende furchtbare Erlebnis lächeln und witzeln.

* Nach dem Abschluß dieser Geschichte erfuhr unser Prekäre folgende Mitteilung: "Bei Anruf Gratislos". Ruft ein Interessierter an, um ein Gratislos aus der Werbung zu erhalten, wird dasselbe Verkaufgsgespräch absolviert. Der juristische Unterschied besteht darin, daß der Geleimte selbst angerufen hat. Manchmal klingeln Callcenter kurz an (zum Beispiel bei Handys) und bei Rückruf wird man dann an den Callagenten über eine Computerstimme weitergeleitet. Doppelt abgesichert durch die Frage: "Wollen Sie Ihr Gratislos abholen, dann drücken Sie die und die Zahl". Wegen des Gratisloses werden die Daten aufgenommen, auch das Geburtsdatum und schon sitzt man in der Suppe ...



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18.09.2007 ~ 12:50 Uhr ~ prospero schreibt:
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129 erhaltene Danksagungen
RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 63580
gelesener Beitrag - ID 63580


ODYSSEE EINES PREKÄREN Teil 11(1)

Doch dann musste er erst einmal nach Hause, um Weiteres zu regulieren. Fast könnte es wie eine Flucht erschienen sein, gerade nach dieser ersten großen Enttäuschung, doch der Prekäre, der in der „Heimat“ zumindest etwas durchatmen und Luft holen wollte, hatte noch nicht die geringste Ahnung davon, mit welcher katastrophalen Überraschung andere ängstliche und in ihrem Selbstbewusstsein zutiefst gestörte Menschen dort schon auf ihn warteten. Selbstverständlich hatten auch diese Menschen, ebenso wenig wie unser Prekäre, keine Ahnung von der zerstörerischen Wirkung ihrer ansonsten für die Fortdauer der Menschheit nicht nur sinnlosen, sondern die lebendige Zukunft sogar aufhaltende, vielleicht sogar verhindernde und die Demokratie von Amts wegen mit Füßen tretenden Existenz. Sie wussten nur, dass sie sich an ein Gesetz zu halten hätten, welches sie kaum und bei abweichenden Verhaltensmustern ihrer von ihnen Kunden genannten Delinquenten überhaupt nicht mehr verstehen. Aber der Führer ... nein, die Führung hat das Gesetz nun mal gemacht, hat dessen Ausführung befohlen und also muss es ausgeführt und angewendet werden. Und dies zu tun ist eben halt ihr Job, egal wie sie das machen. Und dann noch – das muss man sich mal vorstellen – jeden Tag, jede Stunde diese Angst, einen Fehler dabei zu machen und dann vom Führer ... nein, von der Führung dafür abgestraft zu werden. Und dann jeden Tag, jede Stunde dieses Elend verarmter Akademiker, von Menschen, deren Intelligenz die eigene um ein Vielfaches übertrifft, deren rhetorische Fähigkeiten sie schon im Vorfeld erzittern lassen und der nervliche Angriff durch nach Pisse riechender Alkoholiker. Das stumpft ab. Und dann noch jeden Tag, jede Stunde die anderen im Amt, die selbst von Angst und Gier Getriebenen Kolleginnen und Kollegen. Und dann noch jede Menge harter Probleme im privaten Bereich, abgesehen davon, dass bei dieser Sorte Menschen der Versagungsangstkrebs ohnehin schon vorprogrammiert ist. Probleme, wie sie selber empfinden, für die sich die bettelnden, tobenden, schleimenden, drohenden sich Kunden nennende Delinquenten ja schließlich auch keinen winzigen Deut interessierten. Nein, natürlich hatten diese Menschen keine Ahnung und kein Interesse an einer Ahnung diesbezüglich, sich jemals auch nur einmal und sei es nur kurz vorzustellen, was anzurichten sie imstande sind, nämlich mit einer einzigen dahingeworfenen Unterschrift, durch eine kleine Unachtsamkeit ein Menschenleben gnadenlos auszulöschen. Sie sind berufen, gedungen, werden bezahlt auch, um zu töten. Nur hat ihnen das wahrscheinlich nie jemand gesagt. Doch selbst wenn es ihnen jemand gesagt hätte, würden sie es einfach so, um des Selbsterhalts willens, tun. Nein, sie wussten nichts von den Folgen ihrer Tätigkeit, ihrer „Arbeit“ und sie wollen es auch gar nicht wirklich wissen. Aber wer weiß. Wer weiß, ob es sie nicht doch für einen klitzekleinen Moment mit Genugtuung erfüllen würde, so als Ausgleich für den täglichen Frust über ihr eigenes verschissenes Leben. Immerhin tun sie ja nichts als ihre Pflicht, so oder so, die Terroristen und Mörder in Schlips und Kragen. Eine Deportation würde ihnen vermutlich weniger Probleme bereiten als ihre derzeitige Amtsausübung, denn dann müssten sie nicht die Gesichter zu ihren Akten sehen. Aber wer weiß, wohl hoffen sicherlich nicht wenige von ihnen heimlich, dass was noch nicht ist, ja noch werden kann. Für diese Gedanken müssen sie sich nicht schämen. Solche Gedanken bringt diese Art von Job einfach so und ganz naturgemäß mit sich, den sie tun. Sie bräuchten sich nur mal darüber bei ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von der DDR-Staatssicherheit erkundigen. Denen ging es genauso.
Die Zeit, welche nun für unseren Prekären anbrach, bezeichnete er selbst als „Zwischenwelt“. Seine finanziellen Mittel, die aus dem ALG II bis dahin noch theoretisch gesichert waren, lagen bei seiner Familie, von der er sich trennen wollte. Doch hatte er mit seiner Frau einen Termin für diese Trennung vereinbart, auch aus dem Grund, dass beide genug Zeit hätten, sich auf die damit zusammenhängenden individuellen Folgen einzustellen und das Nötigste dafür zu regulieren, um es – vor allem auch in Bezug auf die Ämter, besonders auf jenes besagte Prekariatsverwaltungsinstitut – sowohl Außenstehenden als auch sich selbst so einfach wie möglich zu gestalten. Aber es gibt Menschen, wie schon ausreichend von mir beschrieben, die ihren eigenen Job so schlecht beherrschen, dass es ihnen lieber wäre, wenn man ihnen nicht nur, um mal so ein krasses Bild zu benutzen, den Hintern wischt, sondern auch gleich mal für sie mitscheißt. Zwischenwelten, so auch diese, bergen immer die Gefahr in sich, dass sie grau sind oder erscheinen und darin liegt die Falle dessen, was man als Verzweiflung, in schlimmeren Fällen als Depression bezeichnet. Beide Zustände sind unserem Prekären zum Glück erspart geblieben. Vielleicht lag es daran, dass er ein Ziel hatte, wenn er sich dieses Zieles auf seiner Odyssee auch nicht immer wirklich so ganz sicher war. Doch jedem anderen, auch ihm mit Sicherheit in einer anderen Wahrnehmungskonstellation hätte das widerfahren können und hier liegt hauptsächlich das Versagen der Amtsschimmligen im Bereich der Wahrung der Menschenwürde, genau hier ist der Automatismus des unbewussten Kadavergehorsams, der einem Gesetz folgende Wille zur selektiven Behandlung von Menschen, die also grundfaschistische Seele des deutschen Beamten (denn Faschismus beginnt immer mit der Bereitschaft zur Selektion) und Angestellten, wenn er bestimmte intellektuelle Voraussetzungen nicht erfüllt und einen erheblichen Mangel an politisch-demokratischer Bildung aufweist, gut und deutlich, ja überdeutlich zu entdecken.



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19.09.2007 ~ 11:36 Uhr ~ prospero schreibt:
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 63870
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ODYSSEE EINES PREKÄREN Teil 11(2)

Zuvor hatte er noch einige Angelegenheiten klären können für den Fall, dass er von besagtem Amt eine Umzugsgenehmigung nach Berlin erhalten würde. Er hatte zum Beispiel das Angebot für einen kleinen Nebenjob als Telefoninterviewer in der Nähe vom Kurfürstendamm. Das kleine Problem dabei bestand darin, dass er, würde er diesen Job annehmen, nur für jedes abgeschlossene Interview bezahlt werden würde, was, wie sich später herausstellte, deshalb gar nicht so einfach war, weil viele wegen der oben erwähnten Werber überhaupt erst gar kein Interview zu führen bereit waren. Und wie unser Prekäre, auf dem Gebiet der Callcenter mit der Zeit immer mehr Erfahrungen sammelnd, später erfuhr, gab es noch ganz andere Schweinereien diesbezüglich, welche nicht so schnell durchschaubar waren wie die der NKL/SKL-Mafia. Aber für unseren Prekären war diese Interviewertätigkeit immerhin ein Anfang für eben jenen gewünschten Fall, dass das Amt ihn aus der ortsgebundenen Leibeigenschaft zu entlassen gedächte. Weiterhin hatte er einen Vermittlungsvertrag mit einer sogenannten Personal-Service-Agentur vorbereitet und diese sogar mit einer zielgerichteten Vermittlungsmöglichkeit als telefonischer Kundenberater bei einer größeren Firma. Abschließen wollte er den Vertrag natürlich erst, nachdem er die Entlassungspapiere seines Fronamtes und das Begrüßungspapier eines neuen Amtes gleichen Typus in den Händen halten würde. Weiterhin hatte er im Hinblick auf seine künstlerischen Tätigkeiten sowohl mit den beiden Musikanten an Theremine und Soundsoftware als auch mit der Regisseurin des Theaterprojektes „Beruf: 1€-Job“ besprochen, dass und wie diese Projekte ab Ende September weitergehen sollten. Er hatte sich eine Sammlung von Telefon-Nummern von Callcentern unterschiedlichster Art zugelegt wie auch von Tonstudios, um sich für eben jenen Fall der Verlegung seines Wohnsitzes von Gera nach Berlin dort zu bewerben. Er hatte auch mehrere Unterkunftsmöglichkeiten und Wohnmöglichkeiten für diesen Fall recherchiert. Theoretisch könnte gar nichts mehr schief gehen, wenn ... ja, wenn es das arge Amt in Gera nicht gäbe.
Im Grunde ist der Rest der Geschichte schnell erzählt. Doch will ich auch diese so chronologisch wiedergeben, wie unser Prekäre es erlebte. In der Hoffnung, nichts dabei zu vergessen. Zuerst besuchte er also seine Arbeitsvermittlerin. Er hatte einen Termin bei ihr. Es war bereits der zweite. Und deshalb war es schon ein wenig eng für ihn, eine etwas heikle Situation. Denn den ersten Termin hatte er versäumt. Nein, er hatte ihn nicht wirklich versäumt. Der Brief mit der Einladung kam einfach zu spät, nämlich am Abend desselben Tages, für den er eingeladen war und daher konnte er dieser Einladung eben nicht rechtzeitig nachkommen. Genau dieser Umstand, der im Folgeschreiben mit einer Sanktionsandrohung verbunden war, klärte sich gleich zu Beginn des nicht ganz uninteressanten Termins auf. Wie seine Arbeitsvermittlerin unserem verunsicherten Prekären lapidar mitteilte, kamen ausgerechnet am Tag seines Erst-Termins viele Delinquenten nicht zur Schädelsammelstätte, da die Briefe mit den Einladungen aus unbekannten Gründen ausgerechnet alle am selben Tag alle einen Tag zu spät bei ihnen ankamen. Und somit war dieses Riesenproblem der Androhung existentieller Beschneidung einfach so vom Tisch gefegt. Was nicht heißen sollte, dass auf diesem Tisch nun keine Probleme mehr liegen würden. Es waren immerhin ausreichend Probleme, die wiederum nach Ansicht des Amtes der Prekäre verursachte, dass er noch einmal eine Belehrung über die Rechte und Pflichten eines ALG-II-Empfängers unterschreiben musste, weniger tatsächlich über sich ergehen lassen. Immerhin bekam er zu diesem Thema eine Informationsbroschüre ausgehändigt. Die für ihn relevanten Passagen waren darin schon von der Arbeitsvermittlerin gelb angestrichen. Bei dem darauf folgenden Gespräch ging es vor allem um seinen Aufenthalt in Berlin, die Gründe für seine vorzeitige Beendigung der „Trainingsmaßnahme“ in jenem ausreichend beschriebenem Callcenter und um die Aufrechterhaltung seiner Umzugspläne sowie die daraus sich ergebenden weiteren Schritte. Die Arbeitsvermittlerin des Prekären sprach dann noch von einer anonymen Anzeige und davon, dass sie doch über alle Schritte des Prekären bitte künftig ausreichend informiert werden möge, um eventuelle Konsequenzen aus solcherlei Anzeigen, die jederzeit möglich wären, zu mildern oder gar ganz vermeiden zu können. Diese Aussage fand der Prekäre verwirrend. Das wichtigste Thema blieb jedoch, nachdem alles andere sozusagen zur Zufriedenheit beider Gesprächspartner geklärt war, die zu beantragende Umzugsgenehmigung von Gera nach Berlin. Die Arbeitsvermittlung bot an, ihn sofort, gleich nach diesem Gespräch, bei der Leistungsabteilung anzumelden, so dass er das dort für diese Genehmigung Erforderliche klären könnte, wenn er denn schon mal im Hause sei. Er sagte zu, die Vermittlerin erledigte die Anmeldung, wies ihm den Weg zur Leistungsabteilung, auf den er sich auch gleich machte.



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19.09.2007 ~ 11:37 Uhr ~ prospero schreibt:
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 63873
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ODYSSEE EINES PREKÄREN Teil 11(3)

Er musste dort auch nicht allzu lange warten, bis er aufgerufen wurde. Nur einige Minuten. Dann erschien eine kleine burschikos wirkende Frau, welche in einem Tonfall, auf den jeder Feldwebel stolz gewesen wäre, seinen Namen rief. In ihrem Amtszimmer angekommen, trug er ihr sein Anliegen vor, also das der gewünschten Umzugsgenehmigung. Daraufhin gab sie ihm ein Formular, das er zu Hause ausfüllen sollte und zu einem weiteren Termine, drei Tage später irgendwann vormittags, abgeben sollte. Dann eröffnete sie ihm wiederum, dass er und seine Frau ja schon jener Leistungsabteilung eingeladen wurden und zwar in Bezug auf offene Fragen zur Trennung der beiden voneinander. Er antwortete, dass diese Einladung anscheinend noch nicht eingetroffen sei, dabei für kurze Zeit an ein Dejavu glaubend, doch dass nichtsdestotrotz seine Frau noch am selben Tage vorhatte, dieses Amt und diese Abteilung aufzusuchen, genau aus demselben Grunde, aus welchem die Einladung erfolgte, nämlich um die erforderlichen Unterlagen bezüglich der Trennung abzufragen. Soweit waren sie es beide dann auch ganz schnell zufrieden, sie waren sich einig. Der Prekäre verließ das Zimmer mit dem auszufüllenden Formular und die burschikose Frau konnte einen Besuch durch dessen Frau innerhalb der nächsten Stunden erwarten, welche somit gar einer Einladung nachkam, die noch nicht einmal angekommen war.
Wie sich zeigen sollte, musste sie nicht einmal lange auf die gewünschte Delinquentin warten. Der Prekäre selbst traf seine Frau, als er gerade dabei war, das Amt für diesen Tag endgültig zu verlassen, in der Rezeption an, als sie sich gerade für ihren Termin, in Unkenntnis der Einladung, in der Leistungsabteilung anmelden wollte. Der Prekäre beschloss, sie zu diesem Termin zu begleiten. Zum einen war sie dann nicht so alleine und zum anderen ging es ja auch sie beide etwas an. Und so wurde er Zeuge für die folgenden Auskünfte, die ihnen dann beiden gegeben wurden. Dieselbe burschikose Frau empfing beide nach wenigen Minuten und erläuterte kurz und schnell, welche Unterlagen für die Mitteilung dieser lebenspartnerschaftlichen Veränderung zu erbringen und abzugeben wären. Dies hier alles anzuführen ist müßig. Wichtig ist nur die Erwähnung eines einzigen Formulars für den weiteren Verlauf der Ereignisse. Denn wie sich später herausstellen sollte, und zwar durch ein Antwortschreiben des Geschäftsführers der Geraer ARGE auf eine vielseitige Befragung durch den Prekären, waren die Informationen und Auskünfte jenes weiblichen Feldwebels vollkommen korrekt. Und doch kam gerade durch diese Auskünfte ein Stein ins Rollen, der nun wiederum durch die Unfähigkeit einer anderen Dame, über die ich gleich ausführlicher berichten werde, denn der Prekäre ist ihr im chronologischen Ablauf der Geschehnisse an diesem Tag noch nicht und nie vorher begegnet, auch die Frau des Prekären in jenen Sumpf mit hineinzog, in dem sich der Prekäre – jetzt noch nichts davon ahnend – bereits befand, obwohl sie weder Sprecherin einer Initiative gegen Hartz IV war noch sonst unangenehm aufgefallen ist und nicht einmal selbst vorhatte, von Gera in eine andere Stadt zu ziehen oder auf sonstige Weise das Amt mit nach Arbeit riechenden Veränderungsmitteilungen zu bedenken. Auf die Frage der Frau des Prekären also, ob eine Trennungsvereinbarung, unterschrieben von beiden Ehepartnern, für das Amt ausreichen würde, antwortete die Burschikose mit einem eindeutigen „Ja.“ Und das eben war, wie sich leider erst viel später herausstellen sollte, genau die richtige Antwort gewesen. Blöd war nur, dass es dann nicht alle in diesem Amt so gesehen und wenn es nur die Folge des unbegründeten psychischen Drucks nach sich gezogen hätte, aber bei diesem alleine blieb es dann nicht. Denn die Folgen dieser korrekten Auskunft erwiesen sich schnell als nur eines der Probleme, welche auf die beiden sich trennen wollenden Eheleute im Dunkeln verborgen warteten. Aber das sollten sie beide erst drei Tage später erfahren, und das auch erst einmal nur in Ansätzen und Andeutungen, als der Prekäre sein ausgefülltes Formular für die Umzugsgenehmigung abgeben wollte.
Nichts passte der nervösen dünnen bebrillten Frau mit dem irren Blick und einem in sich verlorenem gouvernantenhaftem Erscheinungsbild, welche ihn zu diesem Zwecke in ihrem Amtszimmer empfing, in den Kram. Ihr ganzes Wesen war durch und durch von Angst gezeichnet, doch die Angst vor dem Prekären selbst konnte es kaum sein. Fast schien es, als spule sie eine Rolle herunter und nähme den ihr gegenüber sitzenden Kunden oder Delinquenten gar nicht wahr. Mit kreischender Stimme und aufgeregt zittrigen Fingern erklärte sie ihm zum einen, dass er noch viel mehr Unterlagen für die von ihm beantragte Umzugsgenehmigung beizubringen habe als nur das ausgefüllte Formular, welches er ihr überreicht hatte. Es müssten schon Mietverträge, und zwar mindestens drei, vorgelegt werden. Das könnten natürlich, so gab sie sich kulant, Mietvorverträge sein. Diese Vorverträge allerdings dürften sich nur auf eine bestimmte Stadt beziehen, im hier vorliegendem Falle der Stadt Berlin auf einen bestimmten Stadtteil, damit die ARGE in Gera ein dann eindeutig zuständiges Arbeitsamt vor Ort zuordnen kann. Auf seinen Einwand hin, dass es ja auch Mietverträge gäbe, die eine zwingende vertragliche Bindung nach sich ziehen könnten, vielleicht ja sogar deshalb, weil schon zu viele Vorverträge dieser Art gemacht worden sind, antwortete sie dem Prekären schnell: „Das ist mir egal. Ich halte mich nur an das Gesetz und Sie müssen das auch.“ Auf den nächsten Einwand des Prekären, ob denn dann im Zweifelsfall die ARGE für dreifache Unterkunftskosten aufkommen würde, entgegnete sie: „Darüber ist mir keine Regelung bekannt. Das müssten sie dann selbst tragen. Sie hätten das dann ja auch selbst zu verantworten.“ Aus irgendeinem ihm unbekanntem Grund war diese Frau in diesem Moment sichtlich den Tränen einer hilflosen Verzweiflung nahe. Fast tat sie dem Prekären sogar leid. Doch trotzdem wagte er noch einen dritten Einwand. „Wie kann ich das denn selbst verantwortet haben, wenn Sie es doch sind, die von mir verlangt, eine solche Folge zu riskieren?“ Daraufhin fegte sie schnell das Formular von seiner Seite auf ihre Seite des Schreibtisches und geiferte nahezu: „Gut, wir lassen das erst mal so. Aber ich glaube nicht, dass Sie damit durchkommen.“ Wie sich später herausstellen würde, war alles, was sie bis zu diesem Zeitpunkt sagte, falsch. Doch sie wollte, ganz wild und mit dem äußerlichen Erscheinungsbild einer in Kürze zu erwartenden heftigen psychischen Destabilisierung oder einem epileptischen Anfall oder gar Schlimmerem, noch unbedingt einen weiteren Beweis ihrer maßloser Überforderung und ihrer Besessenheit von den erwähnten beiden Triebkräften Angst und Gier abliefern. Also behauptete sie plötzlich, weiterhin genüge als Nachweis für die Trennung der Eheleute die vorliegende Vereinbarung der beiden darüber nicht. Es müsse schon notariell beglaubigt oder mindestens von einem Rechtsanwalt gegengezeichnet sein. Auch hierauf antwortete der Prekäre und zwar sagte er, dass er es unmöglich fände, Menschen zu Terminen einzubestellen, damit diese bestimmte Unterlagen ablieferten, die zu organisieren auch Zeit und Nerven kosten würden, und dann lapidar mitzuteilen, dass die vom Amt selbst erstellte Auflistung dieser Unterlagen nicht ausreichend sei, was zur Folge hätte, dass der Kunde noch mehr Zeit, Nerven und in diesem speziellen Fall sogar Geld aufwenden müsse, um den sich anscheinend über Nacht geänderten Ansprüchen zu genügen, dies wiederum immer noch auf die Gefahr hin, erneut losgeschickt zu werden, weil sich ein weiteres Mal die Ansprüche des Amtes über Nacht um ein oder zwei Unterlagen erweitert haben und somit auch Gefahr zu laufen, den Rest seines Lebens damit zu verbringen, einen Vorgang in die Bearbeitung zu bringen, den keiner scheinbar je bearbeiten wird können, weil immer irgendein Papier fehlen wird. Nicht gesagt hat er, dass ihn keiner anscheinend bearbeiten will, denn bei einer so eigenartigen Angelegenheit wie die seinige sein muß, was ihm vorher gar nicht so klar war in dieser außergewöhnlichen Dimension, weil man bei der Bearbeitung vieles falsch machen könnte vielleicht. „Und“, so fügte er seinen tatsächlich gemachten Ausführungen hinzu: „Es geht hier immerhin um Menschen und nicht nur um Papier.“ Die Augen der Amtsschimmligen brachen nach diesem Satz, ihre Stimme kippte, als sie zu einer Antwort ansetzen wollte, doch der Prekäre, nun in Rage und keine Unterbrechung mehr duldend, schickte noch eine Bemerkung hinterher. „Schicken Sie ab sofort alles, was Sie an Unterlagen benötigen, in einer Auflistung schriftlich. Mündlichen Aussagen schenken wir keinen Glauben mehr.“ Nach Luft schnappend vergaß sie wohl plötzlich ihre Rede und atmete tief durch, nachdem sie etwas Luft hatte. Unserem Prekären schien sie sogar erleichtert zu sein über diese für sie wohl überraschende Wendung, die für ihn weniger überraschend war, denn die Idee kam ihm schon bei der Diskussion über die Umzugsgenehmigung. Interessant ist bei jeder Art von Kommunikation in dieser Hinsicht immer wieder, wann aus einem „Ich“ ein „Wir“ wird. So war es auch bei diesem Gespräch. Schnell sagte sie: „Gut, so machen wir es. Haben Sie sonst noch ein Anliegen?“ Nein, das hatte er nicht und schnell verabschiedeten sich die beiden voneinander.



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19.09.2007 ~ 11:39 Uhr ~ prospero schreibt:
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 63875
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ODYSSEE EINES PREKÄREN Teil 11(4)

Der Prekäre hat nie erfahren, ob diese durch und durch für das durch sie vertretene System symptomatische Amtsgehilfin an diesem Tage oder überhaupt einen Nervenzusammenbruch erlitt. Er befürchtet heute noch, wenn er davon erzählt, dass nach seinem Verlassen des Raumes etwas Furchtbares passiert sein könnte.
Seit diesem Tage wurde die Frau des Prekären mit der Forderung nach Unterlagen bombardiert, die das Amt zwar gar nicht benötigt und zudem bereits hat und sowieso alles hat, was es für die Beabreitung wiederum ihres neuen ALG-II-Bescheides braucht, was dem Prekären selbst schon kurz nach dessen folgenschweren Besuchen durch den Geschäftsführer der Geraer ARGE per Mail bestätigt wurde. Einfach alles, was jene Frau ihm sagte, war falsch. Und ebenjenes falsche kommt permanent per Post nun an. Was es natürlich auch nicht richtiger macht, aber diese Form des kriminellen Psychoterrors wirkt dennoch wie er in seinem verbrecherischen Sinn soll. Vielleicht, so vermutet manchmal der Prekäre, war es Hape Kerkeling, mit dem er da verhandelt hat und irgendwann wird er das als gelungen Gag im Fernsehen sehen können. Merkwürdigerweise nämlich wurde zwar nun seine Frau belästigt, der Prekäre selbst jedoch in Ruhe gelassen, wenn auch auf eine vorübergehend und unter den damals noch gegebenen Voraussetzungen unmenschliche Weise.
Doch es sollte für diese Odyssee-Zeit nicht die letzten Begebenheit dieser Art, nicht die letzte Begegnung der unheimlichen Art gewesen sein. Diese erwartete ihn erst einen Tag später.
Einen Tag darauf wollte er nun, nachdem er, wie ihm schien, alles andere wenn schon nicht geklärt, dann zumindest in die Wege gleitet hatte, seinen neuen veränderten ALG-II-Antrag stellen für den Übergangsmonat seines Umzuges von Gera nach Berlin oder aber auch eben für den Fall, dass die Genehmigung für diesen Umzug nicht erteilt werden würde. Auf diese Weise, so glaubte er jedenfalls, wäre er auf alle sich ergeben könnenden Eventualitäten amtsgemäß vorbereitet, ohne sowohl in dem einen als auch in dem anderen Fall in existentielle Schwierigkeiten zu kommen oder gar, ja so freundlich dachte er, die Amtsvorgänge durcheinander zu bringen. Theoretisch, so redete er sich ein, müsste er dann an alles gedacht haben und alles an notwendigen Formularen ausgefüllt haben. Aber da kannte er, trotz der vorangegangenen Erlebnisse, das Amt wohl immer noch nicht gut genug. Letztendlich, so würde er zu sich selbst eines Tages ein Fazit ziehend sagen, war es sein größter Fehler gewesen, diesem Amt wirklich alle seiner Schriften und Pläne offen zulegen und er würde in der darauffolgenden Zeit tatsächlich alle warnen, selbiges zu tun.
Er meldete sich an diesem, dem letzten Tag seiner Odyssee durch das Amt in Gera, artig in der Rezeption an und begab sich dann in den Warteraum. Nach einer geraumen Zeit wurde er aufgerufen und begegnete dort einer richtigen Fürstin, deren Gebaren ihn an die Frau erinnerten, welche sich als Geschäftsführerin jenes obskuren Callcenters ausgab, von welchem hier ja bereits berichtet wurde. Ihr Verhalten war am Ende an Zynismus und Menschenverachtung, ihre Kenntnislage über das „Gesetz“ peripher und ihre Auslegung desselben an faschistoider Blödheit durch nichts mehr zu übertreffen. Natürlich, meinte sie, wäre ein anwaltliches oder notariell beglaubigtes Schreiben als Beweisformular für die Trennung erforderlich. Natürlich, meinte sie, ihre nervöse Kollegin vom Vortag am Willen zur Falschaussage in der Dienstausübung übertreffen wollend, müsste erst ein perfekter Mietvertrag vorliegen, bevor er überhaupt umziehen dürfe. Natürlich, meinte sie, um mal spaßeshalber mal eine ganz andere Problematik in dieses Geflecht aus Irrtümern und persönlicher Willkür hinzuzufügen, müsste erst eine über einen Anwalt gestellte Unterhaltsforderung von ihm an seine Frau gestellt werden, bevor er überhaupt wieder auf die Idee kommen sollte, Sozialleistungen irgendwelcher Art und von wem auch immer bewilligt zu bekommen, egal ob von der ARGE oder vom Sozialamt, um genauer zu sein. Das die Prüfung einer derartigen Forderung Bestandteil des ALG-II-Antrages ist, den sie ihm dann zur Ausfüllung aushändigte, schien sie gar nicht zu wissen. Natürlich, meinte sie, würde ihm, sobald die Trennung von seiner Frau ordnungsgemäß beglaubigt worden wäre, die ARGE eine Wohnung in Gera zwangsweise zuweisen, sobald wiederum der Antrag auf eine Umzugsgenehmigung abgelehnt worden sei, wovon auszugehen sei. Er nahm sich nach ihrer Rede, höflich sich verabschiedend, das Antragsformular und verließ diese ARGE in Gera mit dem Entschluss, dieses Gebäude nie wieder zu betreten, egal was auch immer kommen mag. Und er musste es wirklich auch nie wieder tun. Pünktlich zum 1. August, also pünktlich zum Termin der Überweisung des Hartz-IV-Almosens erhielt er ein Schreiben jenes ominösen Amtes mit der Mitteilung, dass sein neuer ALG-II-Antrag abgelehnt worden sei, verbunden mit dem freundlichen Hinweis, dass er von nun an auch nicht mehr krankenversichert sei. Die Begründung für diese Ablehnung bestand darin, dass unser Prekäre sich gerade in jener Zeit, in welcher er seine absurde Odyssee durch die Zimmer der Geraer ARGE durchlebte, genau an jenen für ihn schicksalhaften Geraer Tagen, in Berlin aufgehalten haben soll. Am Tag, als dieser Ablehnungsbescheid bei ihm, besser gesagt, bei seiner Frau zu Hause eintraf, war er tatsächlich auf dem Weg nach Berlin, denn inzwischen wurde ihm die Umzugsgenehmigung erteilt.



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21.09.2007 ~ 09:13 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 64237
gelesener Beitrag - ID 64237


ODYSSEE EINES PREKÄREN Teil 11(5)

Von dem Schreiben hatte er telefonisch von seiner Frau erfahren, von der er, laut Unterlagen der ARGE bereits genau seit diesem Tag getrennt war und bei der er, ebenfalls gut ersichtlich aus diesen Unterlagen, nicht mehr lebte, an welchem dieser Ablehnungsbescheid eintraf. Immerhin hatte dasselbe Amt kurz zuvor die Umzugsgenehmigung erteilt. Insofern hätte klar sein müssen, dass sich der Prekäre nicht mehr in Gera aufhalten konnte, vielleicht auf dem Weg nach Berlin war und ganz gewiss nicht mehr bei seiner Frau erreichbar. Es sei denn, die Trennung wäre eine Lüge gewesen. Ein Schelm wäre wohl in diesem Falle eher jemand, der, eingedenk all der Merkwürdigkeiten wie den versteckten und offenen Sanktionsandrohungen aus den unterschiedlichsten nicht zusammenhängenden und meist aus der Luft gegriffenen Gründen wie auch der letztendlichen Sanktionserteilung selbst, an eine unglückliche Verquickung von Zufällen und nicht an eine Verschwörung glauben wollte. Unser Prekäre erwies sich als ein solcher Schelm, sozusagen immer an das Gute im Menschen glaubend und naiverweise darauf vertrauend. Doch immerhin räumt er ein, es könne vielleicht doch eine Art Verschwörung sein, wenn auch nicht gegen ihn selbst, so doch allgemein eine Verschwörung gegen prekär lebende Menschen, denn, so meinte er festgestellt zu haben, es ist in diesem seinem wie in jedem anderen ähnlichem Fall gleichgültig, wer der Prekäre ist, es bliebe immer das gleiche Prinzip.
Während nun die Trennung der Eheleute in Bezug auf den Mann, unseren Prekären eben, anerkannt wurde, was der Ablehnungsbescheid seines ALG-II-Antrages verdeutlicht, war dieselbe Trennung in Bezug auf dessen Frau bis zu dem Tag, an dem ich diese Geschichte aufzuschreiben beendete, nicht anerkannt, dies wiederum mit der Folge, dass diese auch kein Geld von der ARGE erhielt. Ein und derselbe Fall also erzielten mit zwei gegensätzlich, sich also widersprechenden Begründungen dieselbe Bedeutung für die Betroffenen: deren existentielle Vernichtung. Und noch ein weiteres Vorkommnis war seltsam. Die Tochter jener Frau musste, wenn auch aus anderen Gründen, ebenfalls einmal bei diesem Amt, der ARGE, vorsprechen. Dabei wurde sie mit ihrem Anliegen von Zimmer zu Zimmer geschickt, bis sie wieder in dem Raum anlangte, welchem sie zuerst war. Zufall? Blödheit? Wir wissen es anders.
Der Prekäre indes meldete sich gleich einen Tag nach seiner offiziellen Trennung und seines Umzuges nach Berlin beim zuständigen Bürgeramt an und machte sich am selben Tag nach seiner Anmeldung in Berlin auch gleich auf den Weg zum Jobcenter nach Schöneweide. Dort meldete er sich an der Rezeption und stellte im Warteraum fest, dass vor ihm noch über 180 Personen auf ihre Audienz warteten. Geschlagene fünf Stunden saß er dort, bis seine Nummer auf dem Display erschien. Es war eine Zahl über 500. So viele Menschen waren an diesem Tag hier erschienen. Als er sich dann bei der Sachbearbeiterin vorstellte, fuhr diese ihn an, wie er denn überhaupt hier zu ihr hereingekommen wäre, denn dieser Sprechtag war nur für diejenigen ALG-II-Empfänger vorgesehen, die in Arbeit sind. Die Lösung war ganz einfach. Der Prekäre hatte keine Kenntnis von dieser Besonderheit in der Unterscheidung der Sprechzeiten. Er fand dann aber die Masse an Menschen, die sich an einem solchen Tage, denn kaum ein anderer wird wohl so „hereingerutscht“ sein wie er, im Jobcenter trotz Arbeit tummelten, sehr erschreckend. Nachdem er sich etwas von seiner Verwirrung erholt hatte – denn selbstverständlich dachte er, als von der ARGE Gera erzogener „Kunde“, jetzt würde das Ganze in Berlin so weitergehen wie er es dort bereits erlebt hatte -, erzählte er in einer 30sekündigen Kurzfassung seine Geschichte, worauf die Dame nun mit einem ihn überraschenden Lächeln sagte: „Okay, lassen Sie mich einfach jetzt meine Arbeit für Sie machen. Ich bin leider heute etwas angegriffen.“ So stellte sie ihm recht schnell eine Liste mit den erforderlichen Unterlagen zusammen, organisierte ihm per Mausklick einen Termin ca. eine Woche später bei der Leistungsabteilung und stempelte einen neuen ALG-II-Antrag für ihn, den er dann bis zum besagten Termin bei der Leistungsabteilung auszufüllen hatte. Danach bemerkte sie, dass er, wenn er sich an alles hielte, auch ohne die Mitwirkung der ARGE glücklich nach Berlin herübergereicht werden würde und zwinkerte ihm aufmunternd zu.



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21.09.2007 ~ 09:14 Uhr ~ prospero schreibt:
im Forum Thüringen seit: 03.09.2007
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RE: ODYSEE EINES PREKÄREN Beitrag Kennung: 64238
gelesener Beitrag - ID 64238


ODYSSEE EINES PREKÄREN Teil 11(6)

Eine Woche später nahm er seinen Termin bei der Leistungsstelle im Jobcenter wahr, wenige Tage danach erhielt er einen Bescheid über den Bezug von ALG II ab August (und nicht erst ab Mitte August oder Anfang September), sich erinnernd an die Bemerkung der Dame bei seiner Antrittsaudienz im Berliner Amt, denn so ist es ja dann auch am Ende gelaufen. Zudem für die Berechnung der eine fehlende Tag für niemanden weiter relevant erschien.
Der Prekäre hat in der Folge seines Berliner berechtigten Da-Seins die angebotene Zuverdienstmöglichkeit als Interviewer aufgenommen. Die Vermittlung durch die PSA ist nicht rechtzeitig gelungen und nun wäre es wegen seines Umzugs nach Berlin und die Zuständigkeitsänderung der Ämter eher fatal gewesen beim Bemühen dieses Vermittlungsunternehmens, bei Erfolg den Vermittlungsgutschein in Gera einzulösen. Mehrfach hat er sich bei verschiedenen Callcenter beworben, wobei eines ihn ab September für einen Stundenlohn + Provision nach bereits erfolgter Testarbeit, ein anderes ihn gegen Festgehalt + Provision nach noch ausstehender Testarbeit einstellen würde. Da unser Prekäre sowohl in Gera als auch nach seiner Ankunft in Berlin kein kontaktscheuer Mensch war und auch keiner werden wird, bekam er bereits nach einigen Tagen zwei ABM-Stellen von den Vertretern der jeweiligen Träger angeboten. Allerdings hätte er in den entsprechenden Stadtteilen wohnen müssen. Auch so eine kleine Idiotie.
Diese so weitläufig beschriebene Odyssee scheint nun beendet zu sein. Doch wer weiß ... vielleicht auch nicht. Wir werden sehen, denn ... nachdem der Prekäre mit Hilfe verschiedener Menschen in Berlin alles „in Ordnung“ gebracht hatte und die dazugehörigen Unterlagen nach Gera gesendet, erhielt er ein Schreiben von der ARGE, dass diese sich für ihn nun nicht mehr als zuständig empfindet und dass er sich deshalb doch bitte schön an das für ihn zuständige Jobcenter zu wenden habe, bei dem er ja, wie wir alle wissen, schon längst war, sonst hätte ja die ARGE die entsprechenden Unterlagen nicht. In einem weiteren Schreiben erhielt er die Mitteilung, dass sein Widerspruch bearbeitet wird, der ja nun aus existentiellen Gründen nicht mehr, aber vom Prinzip durchaus noch notwendig war. Der Prekäre war sehr gespannt auf die Begründung für die Ablehnung seines Widerspruchs und wenn er darauf Jahre hätte warten müssen, er wollte wissen, wie sich dieses Amt da herauswindet. Am 23. August erreichte ihn dann die Ablehnung seines Widerspruchs. Diesmal in der Tat mit einer vollkommen anderen Begründung, auf den Grund für seinen Widerspruch, dass die ARGE ihm mit einer Lüge der ALG II-Antrag abgelehnt hatte, wurde mit keiner Silbe eingegangen. Diesmal hieß es, er würde seit dem 2. August in Berlin beim Jobcenter gemeldet sein. Und das war ja nun auch vollkommen korrekt. Doch dieses mindestens eine bestimmte Mitarbeiterin der ARGE erleichternde Papier ändert nichts an dem eigentlichen Grund für jeden Widerspruch gegen eine solche Umgangsweise mit Menschen, ändert nämlich nichts an dem demokratiefeindlichem und menschenverachtendem Verhalten solcher MitarbeiterInnen und ihrem befremdlichen Hang zur Legitimation totalitärer Strukturschaffungen unter dem Schutz eines ohnehin sehr fragwürdigen Gesetzes, einer Verschwörung der intellektuell und empathisch Benachteiligten, also der Blöden gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unter dem Schutz der Amtsausführung, gegen die Menschenwürde. So ist es kein Wunder, dass der Prekäre seine Erlebnisse juristischen Institutionen auf EU-Ebene zur Überprüfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ausführung des SGB II – ALG II zur Verfügung stellte ...
Währenddessen fordert die im fernen Ostthüringen vor sich hin dümmelnde ARGE unablässig von der Frau des Prekären genau die Unterlagen ein, die der Prekäre ihnen bereits zusandte wie auch dessen Frau ebenso, nachdem er sicherheitshalber, jetzt schon etwas gewarnter, ihr dieselben Unterlagen ebenfalls zusandte, damit sie diese bei der ARGE abgeben könnte, was sie auch tat. Weiterhin fordert sie dieselben Unterlagen, welche bereits in Berlin bei dem Termin unseres Prekären in der dortigen Leistungsabteilung bekannt waren, was die dortige Mitarbeiterin mit der lapidaren Bemerkung: „Steht doch alles im Computer.“ mitteilte. Vielleicht sollten die Fürstinnen und Fürsten in Gera ihre Stammesgenossinnen und –genossen in Berlin einfach mal bitten, die Unterlagen, die sie penetrant von der Frau unseres Prekären einfordern, zuzusenden oder einfach mal zu verraten, wie man sie finden kann oder besser gleich, damit dies mal ein wirkliches Ende nimmt ... alle Unterlagen aus Gera nach Gera zu senden. Immerhin hat die ARGE in Gera zumindest den aus ihren Fängen entschlüpften Prekären unmissverständlich aufgefordert, dass er verpflichtet ist, alle Änderungen mitzuteilen, die Auswirkungen auf den ALG-II-Antrag seiner Frau hätten, doch – auch dies stand unmissverständlich in diesem Schreiben – nur Auswirkungen solcher Art, die ihn ihr gegenüber unterhaltspflichtig werden ließen, damit die ARGE endlich nicht noch ein paar Monate prüfen muss, ob ihr das Almosen zufällt oder nicht. Inzwischen werden Betrugsfälle ja auch bekannt, die richtig teuer werden, was einem ja sogar erklärt, warum die da sparen müssen in Thüringen, ein schwerer Schaden ist entstanden durch Betrug ... ausgeführt von den dort Angestellten. Ja, von wem denn sonst?

(hoffentlich nicht nur vorläufiges) ENDE



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