.:. Vielen Dank an Liesa44, Jumpa, James T. Kirk, nightwolf, KIWI, Susi37, Saltiel, Jule, Micha1962, Jens626, HeMu, guenniev, welche uns kürzlich finanziell unterstützt haben. .:.
|
+ Portal-Navigation + |
|
|
|
|
Leitartikel - Wohlfahrtsstaat, Steuerstaat
|
|
Adeodatus Benutzerkonto wurde gelöscht
20.05.2006 ~ 13:03 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
|
|
|
|
|
|
|
Leitartikel - Wohlfahrtsstaat, Steuerstaat |
Beitrag Kennung: 9447
|
|
|
|
Warum soll ich für Sie bezahlen?
von Konrad Adam
Bisher funktionierte der Wohlfahrtsstaat deutscher Bauart nach dem Motto, mit dem naive Umweltschützer ihr Gewissen beruhigen: Der Strom kommt aus der Steckdose! Entsprechend nahmen die Sozialstaatsbürger ihre Zuwendungen in dem Glauben entgegen, das Geld komme vom Sozialamt. Eine wohltätige Illusion, denn sie verschaffte beides, ein gutes Gewissen und eine ungebrochene Anspruchsmentalität.
Diese Illusion bröckelt, und das ist gut so. Durch die allgemeine Notlage der öffentlichen Finanzen sind die Empfänger staatlicher Wohltaten daran erinnert worden, daß das Geld nicht aus irgendwelchen anonymen Quellen strömt. Für die Seite der Geber gilt das natürlich auch: Auch sie hat die anhaltende Krise des Sozialstaats daran erinnert, daß sie und wie sie gemolken werden. Unter dieser Erkenntnis hat ihre Bereitschaft, auf dem Altar der Umverteilung ein Steueropfer nach dem anderen zu bringen, merklich gelitten.
Die Nebenfolgen dieses sozialen Klimawandels zeigen sich auf der Empfängerseite in einer zunehmenden Neigung zu Tätlichkeiten. Nach der alten Sponti-Parole, die dazu einlädt, kaputtzumachen, was einen kaputtmacht, gehen Leute, die Hartz IV für eine normale Einkommensquelle halten, auf jene los, die Ernst machen mit dem Versuch, Förderung mit Forderungen zu verbinden. Ihr Unmut richtet sich gegen Beamte, die nicht länger auf fremde Kosten großzügig sein dürfen, gegen Umzugsbeauftragte, die Hartz-IV-Empfängern zu angemessenem Wohnraum verhelfen, und gegen Unternehmer, die ihre Geschäfte mit den Reichen machen.
Eine Politik, die jahrzehntelang damit beschäftigt war, den Leuten einzuimpfen, daß es einen Rechtsanspruch auf alles mögliche gibt, auf Schultüten für die Kleinen und auf goldene Eheringe für die Großen, kommt nicht so schnell ans Ende. Der Anspruch ist dabei ja immer großgeschrieben worden, das Recht dagegen immer kleiner. In der Beraterliteratur der sozialen Anspruchsindustrie wimmelt es von Vorschlägen, die zum Betrug förmlich anstiften. "Sie müssen nicht wie eine Nonne oder ein Mönch leben. Ihr Freund/Ihre Freundin kann durchaus bei Ihnen zu Besuch sein und bei Ihnen übernachten. Das reicht für eine eheähnliche Gemeinschaft bei weitem noch nicht aus", heißt es in einer Broschüre, die die SPD-Fraktion vor ein paar Jahren zusammenstellen und verbreiten ließ. Der Tip war bares Geld wert, denn wer nicht dauerhaft mit einer anderen Person die Wohnung teilt, darf zweimal kassieren. Heute bemühen sich dieselben Sozialstaatsindustriellen, die diesen Unfug in die Welt gesetzt haben, die Folgen ihrer Großmannssucht wieder einzufangen. Sie versuchen sich an der Lösung von Problemen, die wir ohne sie gar nicht hätten.
Wie immer sind die Finanziers des Ganzen - gewöhnliche, rechts- und gesetzestreue Steuer- und Beitragszahler - die Dummen. Damit sie das nicht ewig bleiben, sollten sie sich ein Herz fassen und es genauso machen wie die Gegenseite, die Anonymität also durchbrechen und ihre Klagen nicht länger ans System richten, sondern an Personen. Jeder von ihnen könnte und sollte jeden Arbeitslosen, jeden Rentner und jeden Studenten danach fragen, mit welchem Recht er davon ausgeht, daß er ihm den Lebensunterhalt, die Rente oder das Studium bezahlt. Das könnte etwas Licht ins Dunkel bringen.
Dieselben Fragen wären auch an die Sozialpolitiker zu richten. Sie haben ja dafür gesorgt, daß die Anspruchsberechtigten, die ihre Hand aufhalten, mittlerweile genauso kopfstark sind wie die Gruppe derer, die alle diese Hände füllen sollen. 38 Millionen Erwerbstätigen stehen rund 20 Millionen Rentner und Pensionäre, 8 Millionen Behinderte, 6 oder 7 Millionen Arbeitslose und 2 Millionen Studenten gegenüber: Leute, die es als ihr gottgewolltes Recht betrachten, von dem zu leben, was andere für sie aufbringen müssen. Zusammen kommen diese Anspruchsberechtigten auf ziemlich genau dieselbe Zahl wie ihre Finanziers, auf 38 Millionen also. Geber und Nehmer der sozialen Umverteilung haben in Deutschland ungefähr gleichgezogen.
Damit ist in Deutschland ein kritischer Punkt erreicht. Denn wenn der Gleichstand eines nicht mehr allzu fernen Tages zugunsten der Versorgungsempfänger kippen sollte, könnte das Land seine Zukunft hinter sich haben. Dann wird die Rentner- und Empfängermentalität die Politik bestimmen und Forderungen erheben, an denen die Machthaber nur bei Strafe des Machtverlusts vorbeikommen. Am Ende wird es allen schlechter gehen: allen, also nicht nur denen, die den maßlos gewordenen Hunger nach sozial genannter Gerechtigkeit stillen sollen, sondern auch den vielen anderen, die diesen Hunger entwickelt haben.
http://www.welt.de/data/2006/05/20/889621.html
|
|
|
|
|
|
|
|
| |
| |
|