Eisenacher Benutzerkonto wurde gelöscht
19.07.2012 ~ 09:01 Uhr ~ Eisenacher schreibt:
|
|
|
|
|
|
|
RE: Umstrittener Adresshandel |
Beitrag Kennung: 573819
|
|
|
|
Das bereits vom Bundestag verabschiedete Meldegesetz verbessert den Datenschutz – weicht die Regierungsvorlage aber bedenklich auf. Voraussichtlich wird es in der nunmehr vorliegenden Fassung im Bundesrat keine Mehrheit finden.
Horst Seehofer und andere Ländervertreter kündigten an, das neue Meldegesetz im Bundesrat scheitern zu lassen. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens soll ein Bundesmeldegesetz (BMG) eingeführt werden. Anlass für die Neuregelung ist die Föderalismusreform: Mit Wirkung zum 1. September 2006 überführte der verfassungsändernde Gesetzgeber das Meldewesen in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG). Zwar entsprachen bereits bisher die Landesmeldegesetze weitgehend den rahmenrechtlichen Vorgaben des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG). Allerdings wurden Änderungen im MRRG erst nach ihrer Umsetzung in Landesrecht verbindlich. Mit dem BMG soll die durch die Vorgaben des MRRG nicht gänzlich zu vermeidende Zersplitterung des Melderechts vermieden werden und erstmals ein bundesweit einheitliches Melderecht geschaffen werden. Hierzu führt das BMG die Regelungen des MRRG mit denen der Landesmeldegesetze zusammen.
Neben dieser grundsätzlich zu begrüßenden Rechtsvereinheitlichung realisiert das BMG einen höheren Datenschutzstandard. Denn in einigen Landesmeldegesetzen ist bis heute der Schutz der Daten beim Adressenverkauf überhaupt nicht geregelt. Der Stein des Anstoßes ist freilich ein anderer: Die Regierungsvorlage sah in § 44 Abs. 3 Nr. 2 BMG-E noch vor, die einfache Melderegisterauskunft nur zu erteilen, wenn die Daten nicht zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels verwendet werden. Eine Ausnahme hiervon sollte nur gelten, wenn die betroffene Person in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck eingewilligt hat. Bevor also Adresshändler und andere gewerbliche Stellen an diese Daten gelangen, muss der Betroffene dem vorher ausdrücklich zugestimmt haben. Der federführende Innenausschuss sah das aber anders: In seiner Beschlussempfehlung wurde das Wort „einwilligen“ ersetzt durch „widersprechen“. Damit änderte sich der Charakter der Vorschrift: die grundsätzlich verbotene Meldeauskunft in Fällen von Werbung und Adresshandel wurde zum Regelfall – kaum einer der Betroffenen wird sich die Mühe machen, der Datenweitergabe aktiv zu widersprechen. Der angestrebte hohe Datenschutzstandard wird damit unterlaufen.
Auf diesen Missstand wies etwa die SPD-Bundestagsabgeordnete Fograscher in ihrer Rede hin: Die Nichtweitergabe der Daten sollte der Regelfall sein und nicht die Ausnahme. Eine solche Einwilligungslösung war im ursprünglichen Entwurf vorgesehen. Doch mit ihrem Änderungsantrag schaffen sie die Einwilligungslösung ab und sehen jetzt lediglich eine unzureichende Widerspruchslösung vor. Damit wird der Regelfall zur Ausnahme und die Ausnahme zur Regel. Das ist eine deutliche Verschlechterung des Datenschutzniveaus im Vergleich zum Ausgangsentwurf.
Das ist aber nicht die einzige weitreichende Änderung, die der Innenausschuss dem Plenum vorschlug: § 44 erhielt nach dem Willen der Mehrheit der Ausschussmitglieder einen zusätzlichen Absatz 4. Dieser regelt zwar – auf den ersten Blick im Interesse eines möglichst hohen Datenschutzstandards –, dass Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels nicht verwendet werden dürfen, wenn die betroffene Person hiergegen Widerspruch eingelegt hat. Satz 2 weicht aber auch diese Bestimmung in einem entscheidenden Punkt auf: Der Adresshandel ist danach erlaubt, wenn „die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“. Das wird aber bei den allermeisten Datensätzen der Fall sein. Der Betroffene kann nicht nur nicht einwilligen, auch ein Widerspruch würde ihm nichts helfen; die Meldeämter würden die Daten bei entsprechendem Auskunftsverlangen – gegen Gebühr – weitergeben.
Auch dies kritisierte Frau Fograscher: Da man für die Melderegisterauskunft immer bereits vorhandene Daten benötigt, wird es sich stets um eine Bestätigung oder Berichtigung vorhandener Daten handeln. Das ist eine massive Schwächung des Datenschutzes. Diese Änderung bedeutet daher einen deutlichen Rückfall hinter die Regelungen der bisherigen Gesetzeslage.
Der Bundestag verabschiedete den Entwurf mit den Stimmen der Koalition in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden Innenausschusses. Wie DER SPIEGEL berichtet, habe vor allem die CSU und allen voran deren Innenexperte Hans-Peter Uhl für die Widerspruchslösung plädiert. Außerdem habe es aus dem Hause von Innenminister Hans-Peter Friedrich eine „Formulierungshilfe“ für die Ausschussberatungen gegeben. Das Papier sei am 16. Mai dem Ausschuss zugeleitet worden. Zwar beschwichtigte zugleich die Behörde: ein solches Vorgehen sei „normal“; die Initiative zu den Änderungen sei schließlich vom Bundestag ausgegangen. Dennoch lässt diese Praxis Zweifel an der Unabhängigkeit parlamentarischer Entscheidungsfindung aufkommen.
Dazu tragen auch die Umstände der anschließenden Beschlussfassung im Plenum bei: Alle Abgeordneten haben ihre Reden zu dem Gesetzentwurf zu Protokoll gegeben. Eine Aussprache fand nicht statt. Die berechtigte Kritik von Frau Fograscher wurde damit weder dem Auditorium noch der interessierten Öffentlichkeit etwa per Fernsehübertragung mitgeteilt. Das verwundert allerdings auch nicht, denn an diesem Donnerstag, den 28. Juni spielte zum Zeitpunkt der Abstimmung bereits die deutsche Nationalmannschaft im EM-Halbfinale gegen Italien.
Weiterführende Hinweise:
BT-Drs. 17/7746 (Regierungsvorlage)
BT-Drs. 17/10158 (Beschlussempfehlung mit Änderungen
Daten erhielt man vorher schon.
Das traurige ist doch das für alle Parteien das Fußballspiel wichtiger war.
Wenn eine Partei etwas dagegen hat, gefälligst zur Abstimmung erscheinen sollte.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|