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Junge Welt vom 19.11.2009
Fatale Gleichsetzung
Hintergrund. Die Bundesregierung hält Rechtsextremismus, Linksradikalismus und Islamismus für ein und dasselbe Problem. Sie lenkt von der größten Bedrohung der parlamentarischen Demokratie ab: dem neoliberalen Kurs der Koalition
Von Christoph Butterwegge
Die »schwarz-gelbe« Bundesregierung setzt sowohl auf wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischem Gebiet neue Akzente, die bei genauerem Hinsehen altbekannt erscheinen, als auch im Umgang mit dem Rechtsextremismus, den sie offenbar als Rand(gruppen)phänomen begreift und kurzerhand mit dem Linksradikalismus und dem Islamismus gleichsetzt. Wenn der Koalitionsvertrag die »Aufarbeitung des NS-Terrors und der SED-Diktatur« im selben Atemzug nennt, fühlt man sich an die Gleichsetzung von Stalinismus und Hitlerfaschismus durch Totalitarismustheoretiker im Kalten Krieg erinnert. Daß die Bundesprogramme gegen den Rechtsextremismus (»Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie« sowie »Kompetent für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus«) mit einem Jahresbudget von 19 Millionen bzw. fünf Millionen Euro laut Koalitionsvertrag »unter Berücksichtigung der Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen« in Projekte gegen Extremismus ganz allgemein umgewandelt werden sollen, bedeutet einerseits, daß die Gefahr des Rechtsextremismus für die Demokratie im Sinne der Extremismustheorie relativiert wird, und andererseits, daß bei stabilem Mittelaufkommen weniger Aktivitäten dagegen finanziert werden.
Grundirrtümer
Als der Kalte Krieg während der 50er und frühen 60er Jahre seinen Gipfelpunkt erreichte, wurden in der Bundesrepublik alle geistig-politischen Kräfte im Kampf gegen den Kommunismus bzw. den Marxismus-Leninismus mobilisiert. Was lag näher, als diesen unter dem Oberbegriff »Totalitarismus« mit dem Nationalsozialismus bzw. Hitlerfaschismus mehr oder weniger explizit gleichzusetzen? Es gab keine für das deutsche Bürgertum geeignetere Konzeption, um seine kampflose Preisgabe der Weimarer Republik als das Resultat einer doppelten Frontstellung (gegenüber Rechts- und Linksextremisten) zu entschuldigen, die geistigen Berührungspunkte mit dem deutschen Faschismus zu verschleiern und die selbstkritische Aufarbeitung der NS-Zeit durch Neukonturierung des alten Feindbildes (Kommunisten/Sozialisten) überflüssig zu machen.
Vor allem die Politikwissenschaftler Uwe Backes und Eckhard Jesse versuchen bereits seit mehreren Jahrzehnten, die Extremismustheorie durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen populär zu machen und ihr eine über den staatlichen Sicherheitsapparat, etablierte Bildungseinrichtungen und die bürgerlichen Parteien wie den sozialdemokratischen Regierungsflügel hinausreichende Akzeptanz zu verschaffen. Sie legten ihren Arbeiten die folgende Definition zugrunde: »Der Begriff des politischen Extremismus soll als Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische Gesinnungen und Bestrebungen fungieren, die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln einig wissen, sei es, daß das Prinzip menschlicher Fundamentalgleichheit negiert (Rechtsextremismus), sei es, daß der Gleichheitsgrundsatz auf alle Lebensbereiche ausgedehnt wird und die Idee der individuellen Freiheit überlagert (Kommunismus), sei es, daß jede Form von Staatlichkeit als ›repressiv‹ gilt (Anarchismus).« Wer den Verfassungsstaat – und gerade nicht die Verfassung selbst – als zentralen Bezugspunkt seiner Extremismusdefinition wählt, zeigt damit im Grunde nur, wie staatsfixiert er ist, was übrigens zu den Hauptkennzeichen des Rechtsextremismus in Deutschland, nicht aber des Linksradikalismus zählt.
Todfeinde wie Faschisten und Kommunisten befinden sich damit per definitionem »im selben Boot«, wohingegen ihrer Herkunft, ihren geistigen Wurzeln und ihrer Ideologie nach engverwandte Strömungen, etwa Deutschnationalismus, Nationalkonservatismus und Nationalsozialismus, unterschiedlichen Strukturkategorien zugeordnet werden. Grau- bzw. »Braunzonen«, ideologische Grenzgänger und inhaltliche Überschneidungen zwischen (National-)Konservatismus und Rechtsextremismus, wie sie beispielsweise bei den Themen »Zuwanderung«, »demographischer Wandel« und »Nationalbewußtsein« zutage treten, werden nicht mehr thematisiert, die tiefen Gräben zwischen Rechts- und Linksradikalismus zwar keineswegs ignoriert, ihrer Bedeutung nach jedoch stark relativiert.
Wer die Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates zum entscheidenden oder gar zum einzigen Bestimmungsmerkmal des »Extremismus« erklärt, ignoriert oder vernachlässigt die gesellschaftlichen Ursachen seines Untersuchungsgegenstandes. Extremismustheoretiker behandeln den Rechtsextremismus (ebenso wie den Linksradikalismus) primär als einen Gegner der bestehenden politischen bzw. Staatsordnung, nicht als ein soziales Phänomen, das mitten in der Gesellschaft wurzelt. Eckhard Jesse lehnt es sogar strikt ab, die Frage nach den geistigen Hinter- und Beweggründen für Unterdrückungsmaßnahmen eines totalitären Regimes überhaupt zu stellen: »Das Opfer totalitärer Mechanismen muß eine solche Differenzierung – Kommunismus als Deformation einer an sich guten Idee – als sophistisch, wenn nicht zynisch empfinden, ganz abgesehen davon, daß Ziele und Mittel vielfach ineinander übergehen.« Freilich ist die von Jesse verabsolutierte Opferperspektive wenig geeignet, ein sachliches und fachlich qualifiziertes Urteil zu fällen. Aus guten Gründen sitzen keine Gewaltopfer (bzw. deren Hinterbliebene), sondern unabhängige Richter und eben nicht unmittelbar betroffene Geschworene bzw. Schöffen über mutmaßliche Straftäter zu Gericht. Was aber im Strafprozeß selbstverständlich ist, nämlich die Herkunft und Motive eines Angeklagten zu würdigen, also nicht bloß das Resultat der inkriminierten Handlung, sollte auch eine Grundvoraussetzung für die wissenschaftliche Bewertung von Parteien, Bewegungen und Herrschaftssystemen sein.
Versuche von Autoren wie Backes und Jesse, den Extremismus gemäß der Verfassungsschutzargumentation als Kampfansage gegenüber einem demokratischen Verfassungsstaat zu definieren, konnten sich sogar unter den Rahmenbedingungen des Kalten Krieges nicht vollständig durchsetzen. Umso befremdlicher wirken sie nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation. So glaubt Jesse, eine Konvergenz zwischen der Linkspartei, die er als »weiche Spielart des Extremismus«, und der NPD, die er als »harte Variante des Extremismus« charakterisiert, in der Tatsache zu erkennen, daß beide Parteien die Systemfrage stellen. Ausgerechnet Lothar Bisky, früher Vorsitzender der PDS und heute – gemeinsam mit Oskar Lafontaine – von Die Linke, muß mit dem Ausspruch »Wir stellen die Systemfrage!« als Bürgerschreck herhalten, damit Jesse seine gewagte, wenn nicht eher peinlich wirkende Parallele zwischen Die Linke und NPD zu »belegen« vermag. Jesse übersieht oder unterschlägt allerdings, daß Linke und Rechte darunter etwas völlig Verschiedenes verstehen: Während die Linken mit dem »System« den Kapitalismus und mit dem Stellen der »Systemfrage« die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien meinen, ging es Konzernherren wie Thyssen und Krupp nie besser als unter dem National»sozialismus«, der mit dem »System«, das er 1933 aus den Angeln gehoben hatte, die Weimarer Republik der »Novemberverbrecher« meinte. Dies verdeutlicht die ganze Absurdität der Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus: Während jemand durch Sozialisierungsmaßnahmen linker Revolutionäre aufhört, ein Mitglied der herrschenden Klasse zu sein, die sie bekämpfen, muß jemand, der für Rechtsextreme einer »falschen« Rasse angehört, vertrieben oder vergast, ausgebürgert oder »ausgemerzt« werden. |
Es ist für mich kein Wunder das von der Bundesregierung kein Unterschied zwischen Links-und Rechtsextremismus gemacht wird. Man handelt nach der alten Theorie wenn zwei sich streiten, in dem Falle die Linken und die Rechten dann freut sich der Dritte, die Anhänger der gegenwärtigen schwarz-gelben Katastrophenregierung.
Dabei braucht der Kapitalismus die Faschisten die es dan, als entgültige Lösung, richten müssen. Dies ging von 1933 bis 1945 schon einmal empfindlich in die Hose. Aber aus den Fehlern von damals hat diese BRD nichts gelernt wie sie auch mit Kisinger und Lübke zwei Politiker, mit brauner Vergangenheit, im Szaaz der Wirtschaftsverbrecher und Ausbeuter Karriere machen lies.
Bereits Bertolt Brecht warnte damals die Menschheit:
Zitat: |
Der Schoß ist ffruchtbar noch aus dem das kroch. |
Wie Recht er doch hat!
Faschismus ist übrigens das furchtbarste Stadium des imperialisierten Kapitalismus und hat mit Sozialismus nicht das geringste zu tun. Auch wenn der Begriff Nationalsozialismus immer wieder einige zu dieser irrigen Annahme verleitet.
Dieser Beitrag wurde 1 mal bearbeitet, zum letzten Mal von Bernhard P.: 19.11.2009 05:23.
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