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RE: Gera bunt, tolerant und weltoffen - Kein Platz für Nazis 2009 |
Beitrag Kennung: 288436
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Hallo.
Ich möchte mal meine Eindrücke von der Demo schildern. Ich war zusammen mit meiner Frau bei der Kundgebung beim KuK und danach im Demonstrationszug. Insgesamt blieben wir bis zum Rückmarsch über die Brücke. Doch dazu später mehr.
Daß ich schon auf dem Weg zum KuK jede Menge Polizeiwagen sah, ist ja nichts neues. Stört mich nicht weiter, außer dass ich die Masse an dieser Stelle für übertrieben halte.
Die Kundgebung verlief wie gewohnt. Es waren einige Info-Stände verschiedener Organisationen aufgebaut und den Redebeiträgen von Kommunalpolitikern (als wir kamen, sprach gerade Bürgermeister Hein) wurde gelauscht.
Dann formierte sich der Demozug. Gut fand ich die Aufforderung von Frau Poser, sich doch untereinander bitte bunt zu mischen. Irgendeinem Gedanken an Blockbildungen sollte das wohl gleich mal entgegen wirken. Und so mischten wir uns eben unter einen größeren Trupp von schwarz gekleideten jungen Leuten.
Ich kann auch im Nachhinein nur sagen, dass mir nichts, aber auch gar nichts an etwaiger Gewaltbereitschaft begegnet wäre. Allein deswegen schon fand ich die beidseitige Begleitung durch ziemlich fest geschlossene Polizeireihen, die zudem demonstrativ mit Schlagstöcken ausgerüstet waren, einfach unangebracht. Der einzige „Vorfall“: ein junger Mann mit einer Schnapsflasche in der Hand wurde aus dem Zug gezogen. Das passte ihm natürlich nicht, aber er widersetzte sich andererseits auch nicht. Fertig. Die Reaktion der mitlaufenden, ebenso wie er schwarz gekleideten Leute: „Selber Schuld“. Alles verlief friedlich.
Nach verschiedenen Redebeiträgen am Ende der Karl-Marx-Allee wurde der Zug zurück geleitet, man kam zum Rückweg ein zweites Mal über die Brücke. Auf der Innenstadtseite fand dann noch eine (offenbar vorher mit der Polizei abgestimmte) symbolische Sitzblockade statt. Für uns war das dann gleichzeitig das Startsignal, uns wieder zu verabschieden. Der Rückweg nach Hause bot sich von dieser Stelle aus an.
Aber zu unserer Überraschung stellten sich uns zwei Beamte (ein junger Mann, eine junge Frau) in den Weg. Wir dürften nicht raus, meinten sie.
„Warum? Wir wollen bloß nach Hause gehen.“
Keine Antwort.
„Haben wir uns irgendwie widerrechtlich verhalten, dass Sie uns jetzt festhalten wollen?“
Keine Antwort.
„Das ist doch eine Art Freiheitsentzug. Gibt es denn dafür einen Grund? Machen wir einen verdächtigen Eindruck auf Sie? Wir möchten doch lediglich nach Hause gehen.“
„Wir haben unsere Anweisungen.“
„Na dann wollen wir mal hoffen, dass Sie nicht mal noch ganz andere Anweisungen bekommen, über die Sie auch nicht weiter nachdenken möchten.“
Ich geb zu, ich war allmählich ziemlich sauer. Wir geben schon von unserm Äußeren nun nicht unbedingt das Bild von typischen, gewaltbereit wirkenden Berufsdemonstranten ab. Aber den beiden Polizisten genügte das offenbar nicht, um eine eigenständige Entscheidung in dieser Situation zu treffen.
Der männliche Teil des Duos meinte dann noch, wir könnten uns ja zurückfallen lassen, nach hinten, da kämen wir dann raus.
Zurückfallen lassen hätte bedeutet, auf die andere Seite der Brücke zu laufen. Das wäre aber nun eben nicht unser Heimweg gewesen. Und wie gesagt: einen ersichtlichen Grund für die Einkesselung gab es nicht. Es wäre ja noch nicht mal der Weg hin zur Spielwiese gewesen. Das hätte ich ja noch verstanden. Aber keine Chance. Also blieben wir zunächst mal dort stehen, wo wir waren.
Und das war auch gut so. Denn kaum zwei Minuten später gab es ein Scharmützel genau an der Stelle zu der wir uns nach Empfehlung des Polizisten doch begeben sollten. Sofort liefen mehrere Polizisten mit gezücktem Schlagstock zu der Stelle hin. Ein paar Tätlichkeiten folgten. Zu meiner Frau sagte ich noch „Nur gut, dass wir da nicht hingegangen sind. Sonst würden wir jetzt erst recht als Aufsässige behandelt werden.“
Erst dann kam ein anderer Beamter, der unseren Disput vorher beobachtet hatte, auf uns zu, fragte, was wir denn wollten, und beschied unsere Antwort mit der Erlaubnis, den Ort zu verlassen. Danke noch mal an den Herrn für seine Umsicht und eigenständige Situationseinschätzung.
Es mag sein, dass hier immer noch einige an der Behauptung festhalten möchten, dass solche Demos nix anderes als Krawallsuche oder ähnliches seien. Nichts davon trifft auf diese Demo zu. Auf die meisten anderen übrigens auch nicht. Ich hab jedenfalls noch nichts davon erlebt. An obigem Beispiel kann man aber vielleicht auch abschätzen, wie Provokationen unnötig entstehen können. Ich hatte mich ruhig verhalten. In jüngeren Jahren hätte ich meiner Empörung vielleicht stärkeren Ausdruck verliehen. Vielleicht bedenkt dies auch mal jemand, der solche „Anweisungen“ herausgibt. Ich nehme an, dieser wird auch nicht all zu jung und ohne Erfahrung sein. Also frage ich, welchen Zweck soll das verfolgen, liebe Polizeiführung? Leider war dies nicht mein erstes Erlebnis dieser Art.
Es ist weiterhin auch nicht richtig, dass eine Demo den Zweck verfolgte irgendwelche Nazis zu bekehren. Pfiffikus, ich fand und finde es schade bis peinlich und blamabel für unsere Stadt, dass sich nicht mehr Bürger offen hinstellen und gegen diese menschenverachtende Gesinnung Gesicht zeigen. Sich weg drehen heißt dulden. Nichts anderes. Die angebliche Furcht vor einem schwarzen Block und Krawallen kann ich nur als Ausrede sehen. Gerade während des Demozuges dachte ich mir noch, wie spärlich es wohl aussähe, wenn nicht wenigstens diese teils wenig angepasst aussehenden jungen Leute sich hier beteiligen würden. Und wenn sich mehr „ehrenwerte Bürger“ an einer Demo beteiligen, würde dieser Block gar nicht mehr (als „Schreckgespenst“) auffallen. Diesbezüglich fand ich den Aufruf von Claudia Poser zum bunten Mischen sehr gut. Ich hatte übrigens nie den Eindruck, dass da Leute unterwegs wären, auf die man nicht im Fall des Falles noch beschwichtigend hätte einwirken können.
Vielleicht sollte ich nicht wirklich enttäuscht sein. Vielleicht ist Gera so. Vielleicht hat sich diese Stadt in ein paar weiteren Jahren wirklich einen Ruf als Treffpunkt von Nazis aus In- und Ausland nachhaltig erworben. Durch Leute wie Euch übrigens, die Ihr hier nur faule Ausreden vorbringt, um Eure Untätigkeit und Duldung unter dem Deckmantel von Gelassenheit zu kaschieren.
Es hat übrigens, lieber co2schleuder auch überhaupt nichts mit links oder linker Politik zu tun, wenn man gegenüber Nazis Gesicht zeigt. Herrn Hein wird wohl niemand eine linke Gesinnung unterstellen. Danke an dieser Stelle an ihn für seine klare Stellungnahme. Übrigens hat der MdB Blumentritt (SPD) bei seiner Rede einige Schmährufe („Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten.“) zu hören bekommen. Ich möchte ihm allerdings Recht geben: An dieser Stelle haben solche Auseinandersetzungen nichts verloren. Da sollten Menschen zusammen stehen. Es geht an dieser Stelle eben nicht um politische Unterschiede untereinander, sondern nur um die eine Gemeinsamkeit: Keine Nazis in unserer Stadt!
gruß
jandark
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