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Denn sie wissen, was sie sagen
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Adeodatus Benutzerkonto wurde gelöscht
11.10.2006 ~ 14:03 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
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Denn sie wissen, was sie sagen |
Beitrag Kennung: 26923
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Ein paar Lügen über Hartz IV
und warum die Bundesregierung sie immer wieder benutzt.
Bei der Übergabe des Berichts des Ombudsrates zu Hartz IV konnte sich Arbeitsminister Müntefering wieder einmal eine Bemerkung nicht verkneifen. Arbeitslose, so Müntefering, sollten Hartz IV nicht als Sozialhilfe Plus begreifen und auch bereit sein, Spargel zu stechen. Und schon war das schlichte Bild über Arbeitslose trotz Ombudsrat wieder komplett: Die lie gen in der Hängematte und wollen nicht arbeiten.
Diese und ähnliche Vorurteile gegenüber Arbeitslosen haben Methode. In der über 20-jährigen Geschichte der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland finden Denunzierungen von Arbeitslosen immer im Vorfeld von Sozialkürzungen statt. Quasi, um sie der Gesellschaft schmackhaft zu machen (Ist der Ruf erst ruiniert, kürzt es sich völlig ungeniert). Und die angeblich so unabhängigen Medien mischen munter mit (Florida Rolf etc.).
Grund genug für die SPERRE einmal die wichtigsten Lügen aufzugreifen und wenigstens in diesem Medium der Wahrheit die Ehre zu geben.
Lüge 1
„Die Sozialleistungen in Deutschland liegen im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere Großbritannien und USA, viel zu hoch.“
Wird immer wieder gerne behauptet, die Wahrheit sieht anders aus:
In Wirklichkeit hat Großbritannien, was die Fürsorge für Langzeitarbeitslose betrifft, längst die Bundesrepublik überholt. Der derzeitige Regelsatz in Großbritannien liegt bei umgerechnet 360 Euro. Gegenüber 345 Euro hier. Auch in Großbritannien werden die Unterkunftskosten zusätzlich übernommen. Übrigens gibt es dort, wie in den USA, einen Mindestlohn von 7,34 Euro die Stunde. Im Oktober soll er auf 7,80 Euro angehoben werden.
Lüge 2
„Der Regelsatz ist zu hoch, denn mit Hartz IV bekommen manche mehr Geld als sie mit Arbeit verdienen würden.“ „Wer arbeitet,muss mehr haben, als der, der nicht arbeitet“ (Merkel, Bundeskanzlerin).
Tatsache ist, dass jeder der weniger verdient, als er in Hartz IV bekommen würde, ein Anrecht auf aufstockendes ALG II hat. Und wegen der entsprechenden Freibeträge finanziell immer besser steht, als jemand der nur Hartz IV bezieht. Dies müsste Merkel eigentlich bekannt sein, denn für Millionen Menschen ist die Aufstockung durch ALG II plus Freibeträge bereits Praxis. Dies ist auch der Grund, warum es nach Berechnungen der Arbeiterkammer Bremen im März 2006 ca. 6,8 Millionen Bezieher von Arbeitslosengeld gab.
Aber Merkel ging es wohl auch nicht um Gerechtigkeit für Schlechtverdiener, sondern um Kürzungen bei Hartz IV.
Zur Höhe des Regelsatzes:
Die Leistungen von ALG II sind in etwa auf dem Niveau der alten Sozialhilfe. Der Regelsatz stieg zwar an, der Grund ist jedoch die Pauschalisierung früherer einmaliger Leistungen. Dies führte zu einer Verschlechterung der Situation für Menschen mit kurzfristig bestehenden, einmaligem Unterstützungsbedarf (Kleidung oder Haushaltsgegenstände), da alle zusätzlichen Ausgaben zunächst angespart werden müssen. Es wird zugrunde gelegt, dass ein Alleinstehender monatlich 48 Euro ansparen kann (!).
Wie eng der Regelsatz ist, zeigt auch folgendes Beispiel: 1,76 Euro monatlich sind für Schulsachen vorgesehen, für Spielsachen 0.86 Cent im Monat und für Kinderkleidung 250 Euro im Jahr. All diese Festlegungen sind willkürlich. Es gibt keine sachliche Begründung und es werden keine Preissteigerungen berücksichtigt.
Nach Berechnungen des DPWV müssten die Regelsätze sofort um 19 Prozent auf 412 Euro angehoben werden, um auch nur auf sehr bescheidenem Niveau den täglichen Bedarf zu decken.
Lüge 3
Die Menschen beziehen Hartz IV,weil das Arbeitslosengeld II zum Missbrauch einlädt.
Wolfgang Clement, Mitinitiator von Hartz IV, spricht sogar dreist von einer Missbrauchsquote von 25 Prozent.
Tatsache ist, dass bei einer aktuellen Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit und der Job-Center 3,2 Millionen Datensätze abgeglichen wurden sowie telefonische und sonstige Nachforschungen vorgenommen wurden. Und das Ergebnis: Nur bei drei Prozent der ALG II-Fälle gab es Unregelmäßigkeiten. Wobei ein Sprecher der Bundesagentur darauf hinwies, dass in dieser Zahl auch Fälle enthalten sind, die schlicht die Aufnahme einer neuen Arbeit zu spät gemeldet haben. Und weiter: „Wenn wir die Kosten für die Mitarbeiter (zur Überprüfung von Missbrauchsfällen) gegen rechnen ... bleibt nicht viel an Einsparungen:“
Wobei nur am Rande erwähnt werden sollte, dass ein Steuerfahnder immer gut das Zwanzigfache seines Gehaltes reinholt.
Trotzdem hört man immer wieder aus der Politik wie groß und verwerflich der Leistungsmissbrauch doch sei. Clement spricht sogar strammdeutsch von Parasiten. Diese Politiker und diese Politik lassen 97 Prozent der Arbeitslosen im Regen stehen. Noch mal zum Mitschreiben:
Drei Prozent Leistungsmissbrauch sind gemessen an der tatsächlichen Zahl der ALG II Bezieher (siehe Lüge 2), sogar nur 0,8 Prozent Leistungsmissbrauch. Aber wetten, dass bei der nächsten Kürzungswelle aus 0,8 schnell wieder 100 Prozent werden?
Lüge 4
Wer eine Arbeit ablehnt,muss auch bestraft werden.
Dies ist eine Art "Evergreen" in der Redaktion. Denn schon immer gab es die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen bei der Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit. In sofern gehen diese Forderungen immer wieder ins Leere, weil sie längst gesetzlich verankert sind. Machen sich aber bei Debatten über Sozialkürzungen immer wieder gut. (Ist ja auch ein starkes Stück: Da haben wir so viele Probleme und die Arbeitslosen sind sich zu fein zum Arbeiten. Fällt also ebenfalls unter die Rubrik „Lügen im Vorfeld von Sozialkürzungen.“ )
Was sich allerdings im Laufe der Zeit geändert hat, das ist der Begriff der „zumutbaren“ Arbeit. Bis Anfang der 90er Jahre wurde bei der Vermittlung noch auf Qualifikationen der Arbeitslosen Rücksicht genommen. Ein Bauingenieur musste sich nicht direkt als Bauhelfer vermitteln lassen. Vorher musste geschaut werden, ob es im Bereich Bauhelfer nicht sowieso genügend Arbeitslose gibt. Diese eigentlich vernünftige Regelung wurde ersatzlos gestrichen. Und mittlerweile ist für ALG II Bezieher jede Arbeit zumutbar. Auch Spargelstechen zum Hungerlohn. Worauf unser Arbeitsminister ja immer wieder gerne hinweist. Und die Sanktionen bei Ablehnung einer solchen Arbeit gehen bis hin zur verordneten Obdachlosigkeit (Streichung sämtlicher Zahlungen einschließlich Mietkosten).
Da es auch in naher Zukunft nicht genügend Arbeitsplätze geben wird, die diesen Namen auch verdienen (jedenfalls von der Bezahlung her), wird die Abschiebung von Arbeitslosen in Billigjobs eine immer größere Bedeutung bekommen. Und da dies wohl nicht ganz ohne Murren vonstatten gehen wird, heißt es auch in Zukunft: Wer ein Arbeit ablehnt, muss auch bestraft werden. Nur leider wird es kaum Journalisten geben, die einmal hinterfragen, was denn damit gemeint ist, mit Arbeit und so.
Lüge 5
Bei Hartz IV gibt es eine Kostenexplosion.
Fast ist man geneigt zu sagen, bei Hartz IV gibt es eine Lügenexplosion. Aber kommen wir zu den Fakten. Auf Anfrage der Linkspartei im Bundestag räumte das Arbeitsministerium folgenden Sachverhalt ein: Wären Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe nicht in Hartz IV zusammengelegt worden, dann würden die Kosten nach dem alten System in etwa dem heutigen Niveau entsprechen (plus 1,4 Milliarden). Dieses leichte Plus lässt sich mit der zunehmender Verarmung und Arbeitslosigkeit erklären. Was die Kosten explodieren lassen hat, waren die fahrlässigen Schätzungen über angebliche Einsparmöglichkeiten mit dem neuen ALG II. Wolfgang Clement hat hier gegen den Rat der Experten falsche Zahlen in die Welt gesetzt. Da diese Zahlen von vornherein unseriös waren, kann auch nicht wirklich von einer Kostenexplosion geredet werden. Eher von einer Seifenblasenexplosion.
http://www.muenster.org/sperre/inhaltsfr.../Hartz-IV-1.htm
Dieser Beitrag wurde 1 mal bearbeitet, zum letzten Mal von Adeodatus: 11.10.2006 14:05.
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