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Nur Bewährung für Hartz - das Gerichtsprotokoll |
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Nur Bewährung für Hartz - das Gerichtsprotokoll
dpa
Der erste Tag vor dem Landgericht Braunschweig geht zu Ende. Für Peter Hartz war es ein guter Tag: Mehr als eine Bewährungsstrafe wird es für ihn nicht geben. WELT.de hat den Gerichtstag protokolliert.
Herr Hartz, wie geht es Ihnen heute?" Der Angesprochene, der mit seiner dunkelblauen Krawatte mit rosa Streifen und der randlosen Brille so adrett wie ein Sparkassendirektor aussieht, lächelt den Reporter gequält an. Er schweigt. Gleichwohl zeigt sich Peter Hartz an diesem Mittwoch recht mutig: Bereits um 9.45 Uhr, eine Viertelstunde vor Beginn seines Prozesses, betritt er den großen Schwurgerichtssaal im Landgericht Braunschweig und stellt sich bereitwillig dem Blitzlichtgewitter.
Pünktlich eröffnet die Vorsitzende Richterin Gerstin Dreyer die Verhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer. Oberstaatsanwältin Hildegard Wolff erntet jetzt nach mühsamer, eineinhalbjähriger Ermittlungsarbeit zur VW-Affäre um schwarze Kassen, gekaufte Betriebsräte und leichte Mädchen die ersten Früchte. Im Sommer 2005, als der Skandal bei Europas größtem Autohersteller ruchbar wurde, war daran noch nicht zu denken. Damals fürchtete mancher Beobachter, mangels Beweisen werde es nie zu einem Verfahren kommen. Nun verliest Frau Wolff die Anklageschrift und referiert die 44 Punkte, die sie "Doktor Peter Alwin Hartz", dem prominentesten der anfangs 14 Beschuldigten, zur Last legt. Bei jedem Einzeldelikt geht es um Untreue und Begünstigung des Betriebsrates. Der Schaden für Volkswagen summiert sich auf gut 2,6 Millionen Euro.
Die 50 Zuschauer und rund 70 Journalisten werden über eine Besonderheit des Verfahrens informiert. Anklagebehörde, Verteidigung und die drei Richter haben im Vorfeld eine Abmachung getroffen: Im Fall eines glaubhaften Geständnisses ist Hartz eine Strafobergrenze zugesagt worden. Anders ausdrückt: Gibt der Topmanager seine Vergehen zu und legt Reue an den Tag, muss er nicht ins Gefängnis. Die Verhandlung wird unterbrochen, um den beiden Schöffen diese Absprache zwischen den Parteien, die nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes gestattet ist, zu erklären.
Die Stunde der Boulevardpresse schlägt. Peter Hartz, der alle Erklärungen zur Sache seinem Anwalt überlässt, äußert sich zur Person und seinen persönlichen Verhältnissen. Stolprig liest der ehemalige VW-Personalvorstand die Stationen seines beruflichen Werdegangs vom Blatt ab. Unerwähnt bleibt, dass er einst im Auftrag von Bundeskanzler Schröder jene Arbeitsmarktreformen auf den Weg gebracht hat, die seinen Namen tragen. Hartz sagt, er beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von 25 000 Euro und verfüge über ein angelegtes Vermögen in Höhe von 2,7 Millionen Euro.
Professor Egon Müller ist ein Meister seines Faches. Schon im Mannesmann-Prozess brillierte der Strafrechtler. Ihm allein hat es Hartz zu verdanken, dass er trotz schwerer Untreuedelikte vergleichsweise glimpflich davonkommen dürfte. Müller hat die Anklagebehörde lange zappeln lassen. Und mit ihr dann über die Bedingungen verhandelt, unter denen sein Mandant ein Geständnis ablegen würde. Jetzt trägt Müller dieses Geständnis im Namen und im Auftrag von Hartz vor - fast eine Stunde lang.
Ein Geständnis? Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer, das Müller abgibt. Rechtfertigen könne man das Verhalten seines Mandanten nicht, sehr wohl aber verstehen - so die Botschaft. Die Straftaten müssten vor dem Hintergrund des besonderen VW-Mitbestimmungsmodells gesehen werden, das in ganz Europa einzigartig sei. Erst dieses missbrauchsanfällige Modell habe dazu beigetragen, dass Hartz in sein "Unglück" gelaufen sei. Müller erklärt die Straftaten von Hartz auch mit dem Charakter des Begünstigten, des Konzernbetriebsratschefs Klaus Volkert. Den charakterisiert er als einen geradezu raffgierigen Arbeitnehmerfunktionär. Ihm habe Hartz - oft mit schlechtem Gewissen - Sonderboni gewährt, Vergnügungen ermöglicht und eine brasilianische Geliebte finanziert. Hartz werde dafür strafrechtliche Verantwortung übernehmen, schließt der Anwalt.
Nach der Mittagspause beginnt ein Marathon: Die schriftlichen Aussagen von neun Zeugen werden verlesen. Erforderlich für die Strafbemessung ist das eigentlich nicht mehr. Offenbar reagiert das Gericht damit auf die öffentliche Kritik, hier werde ein Schnellverfahren durchgezogen und ein reicher Angeklagter privilegiert.
Am Donnerstag nächster Woche wird wohl das Urteil verkündet. Maximal zwei Jahre Bewährungsstrafe und rund 300 000 Euro Geldbuße erwarten Peter Hartz.
soviel zum thema....
greets dor andy
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