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Forum-Thueringen» Politik» Deutschlandpolitik » Günter Grass war in der Waffen-SS » Hallo Gast [Anmelden|Registrieren]
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Zum Ende der Seite springen Günter Grass war in der Waffen-SS
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Simson   Simson ist männlich Zeige Simson auf Karte Benutzerkonto am 16.04.2013 gelöscht
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12.08.2006 ~ 21:22 Uhr ~ Simson schreibt:
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12 erhaltene Danksagungen
Günter Grass war in der Waffen-SS Beitrag Kennung: 20377
gelesener Beitrag - ID 20377


Wie wir gestern zum Beispiel hier erfuhren, war Nobelpreisträger Günter Grass Mitglied der Waffen-SS.

Dieses späte öffentliche Eingeständnis verdeutlichtet in meinen Augen eine typische Problematik deutscher Geschichte und deutscher Biographien. Und diese Problematik betrifft nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus.

Was mich wundert ist, daß sich bisher niemand aus dem damaligen Umfeld von Günter Grass zu dessen Zeit bei der Waffen-SS geäußert hat. Verdräng(t)en diese Menschen Geschichte oder Teile ihres eigenen Lebens oder betrachte(te)n sie eine öffentliche Äußerung dazu als Denunziation?



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gastli   Zeige gastli auf Karte FT-Nutzer
32.062 geschriebene Beiträge
Wohnort: terrigenus



13.08.2006 ~ 09:49 Uhr ~ gastli schreibt:
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Beitrag Kennung: 20387
gelesener Beitrag - ID 20387


Zitat:
Der Schriftsteller Klaus Theweleit witterte in dem Bekenntnis eine Publicity-Aktion des Nobelpreisträgers: «Wenn Grass den Polls entnimmt, dass nicht 102 Prozent der Deutschen ihn kennen, dann fällt ihm so etwas ein», sagte er dem «Tagesspiegel».
(yahoo)

Zitat:
Weniger brisant, eher amüsant ist Grass' Erinnerung an einen Jungen namens Joseph, mit dem er im Kriegsgefangenenlager war. Auf die Frage, ob dieser 17-Jährige tatsächlich der heutige Papst Benedikt XVI. gewesen sei, erklärt Grass: "Der wurde mein Freund und mein Knobelkumpan, denn ich hatte einen Würfelbecher ins Lager retten können. (...) Ich wollte Künstler werden, und er wollte in die Kirche, dort Karriere machen. Ein bisschen verklemmt kam er mir vor, aber er war ein netter Kerl."
Tatsächlich war Joseph Ratzinger wie Grass im Lager Bad Aibling inhaftiert. Ob der Vatikan zu Grass' Erinnerungen Stellung nehmen wird, bleibt abzuwarten.
(Spiegel)

Wenn man ein neuse Buch verkaufen will muss man in die Schlagzeilen. Die PR ist Grass also gewiss. Jeder Journalist stürzt sich dankbar auf dieses "Sommerlochthema".
Die Bekenntnisse eines 17 Jährigen.


Zitat:
«Die Selbstüberwindung von Grass verdient großen Respekt. Aber man fragt sich doch beklommen, warum er sich nicht früher zur Wahrheit aufgerafft hat», sagte der Historiker und Publizist Arnulf Baring dem Blatt. Grass habe immer betont, wie unvollkommen die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland sei. «Er muss sich dabei halb bewusst immer selbst im Auge gehabt haben.»

Was Grass sage, «ist ohne Vorwurf hinzunehmen. Er war sehr jung und stand unter keinem anderen Einfluss, der ihn abgehalten hätte», sagte Schriftsteller Erich Loest dem «Tagesspiegel». Er könne das sehr gut nachempfinden.

«Man lebt in der Welt, in die man hinein geboren wird», sagte der 80-jährige Schriftsteller Dieter Wellershoff dem «Kölner Stadt-Anzeiger» und forderte, Grass nicht moralisch abzuurteilen.

«Schlimmer, als einen politischen Irrtum zu begehen, ist, sich mit ihm nicht auseinander zu setzen», erklärte Autor Ralph Giordano auf WDR2. Das habe Grass innerlich schon lange getan und sei nun auch damit an die Öffentlichkeit gegangen «Gut, Günter Grass, dass Sie das getan haben», sagte Giordano.
(yahoo)


Und ganz nebenbei werden noch ein paar unbekannte und vergessene Kollegen mit ins Rampenlicht geholt.



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Adeodatus
Benutzerkonto wurde gelöscht



13.08.2006 ~ 10:03 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
Beitrag Kennung: 20388
gelesener Beitrag - ID 20388


@ simson

Zitat:
Was mich wundert ist, daß sich bisher niemand aus dem damaligen Umfeld von Günter Grass zu dessen Zeit bei der Waffen-SS geäußert hat. Verdräng(t)en diese Menschen Geschichte oder Teile ihres eigenen Lebens oder betrachte(te)n sie eine öffentliche Äußerung dazu als Denunziation?


Ich sehe es eher das wir Deutschen nicht mit Geschichte insbesondere mit unserer eigenen Geschichte umgehen können oder wollen, bei Günter Grass sehe ich es so das zur damaligen Zeit die Zugehörigkeit zur Waffen SS gleichgesetzt wurde mit den SS Angehörigen in den Vernichtungslagern und denen die an Massenexekutionen in Russland beteiligt waren. Das verursachte eine panische Angst vor Gesellschaftlicher Ausgrenzung oder gar vor Verfolgung. Wir Deutschen arbeiten Geschichte nicht auf wir bauen für uns persönlich ein Lügengebäude in dem wir behaupten das wir nicht Teil der jeweiligen Geschichte sind.

Genauso wie es sich mit der DDR Vergangenheit verhält, wer in der DDR gelebt und gearbeitet hat, hat sich mit dem System anrangiert ( bis auf geringe Ausnahmen ) aber im großen und ganzen fühlten sich plötzlich alle die nicht in irgendwelchen Staatlichen Organen der DDR waren als Opfer aber Opfer kann auch Täter sein bewusst oder unbewusst.

Und genauso hat es sich mit dem Geschichtsbewusstsein der Kriegs und Nachkriegsgenerationen verhalten mit dem Schweigen der Waffen und der Kapitulation des Deutschen Reiches wurde eine Opfermentalität an den Tag gelegt, keiner hatte sich mit dem System der Nazis arangiert alle wussten von nichts und alle waren Opfer.

Die Aufarbeitung wurde auf die späteren Generationen verschoben auf Generationen die sich nicht Schuldig fühlen wollen aber laut der Verursacher es sollen. So auch Grass sein spätes Geständnis halte ich persönlich für falsch ! Sein Ruf wird jetzt deutlich leiden. Da er in seinen Büchern mit dem Finger auf solche Leute gezeigt hat die sich wie er verhalten haben.



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Herasun   Herasun ist weiblich Zeige Herasun auf Karte FT-Nutzerin
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13.08.2006 ~ 21:25 Uhr ~ Herasun schreibt:
im Forum Thüringen seit: 13.04.2006
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Beitrag Kennung: 20447
gelesener Beitrag - ID 20447


Wir werden wohl kaum jemals erfahren, warum ein Günter Grass sich zu diesem Geständnis zum jetzigen Zeitpunkt entschlossen hat.
Vielleicht hat es auch mit seinem fortgeschrittenen Alter zu tun? Und nicht mit PR-Gründen, wie „kluge Journalisten" (welche mit der Gnade der späten Geburt ausgestattet sind)vermuten.
Wenn einer seine Autobiographie schreibt, meine ich, läßt er sein Leben Revue passieren und rechnet möglicherweise mit sich selbst, den Menschen und denUmständen in seinem Leben ab.
Ich finde es schon erstaunlich, wie sich nun von allen Seiten auf ein Geständnis eines fast 80-jährigen gestürzt wird, der, gerade mal 17 Jahre alt und von seiner Zeit geprägt, etwas tat, was wohl Viele in dieser Zeit taten.

Warum es keine "Denunzianten" gab all die Jahre, erkläre ich mir damit, daß mögliche Denunzianten damit ihre eigenen Posten und Pöstchen gefährdet hätten, weil sie tatsächlich eingebunden waren in den braunen Sumpf.
Wenn ich davon ausgehe, daß ein Günter Grass ein aufrichtiger Mensch ist, so hat er sein Leben lang um dieses Geständnis gerungen.

Sollte er sich und seine Leser( was ich nicht glaube) immer nur betrogen haben, dann hätte er nichts Besseres verdient als Schmähungen.
Vielleicht hat er aber einfach nur versucht, sein Leben lang eine Schuld abzutragen, die er als 17-jähriger auf sich geladen hat.


Dieser Beitrag wurde 1 mal bearbeitet, zum letzten Mal von Herasun: 13.08.2006 21:41.



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gerassimov   Zeige gerassimov auf Karte FT-Nutzer
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14.08.2006 ~ 16:01 Uhr ~ gerassimov schreibt:
images/avatars/avatar-16.jpg im Forum Thüringen seit: 12.02.2006
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gelesener Beitrag - ID 20527


Das ist ziemlich krass mit Grass (den konnte ich mir jetzt nicht verkneifen).

Schade, dass das Bekenntnis so spät kommt. In meinen Augen hätte ihn ein früheres Wort nur noch glaubwürdiger gemacht. Seine antifaschistische Haltung im Nachkriegsdeutschland war für mich immer vorbildhaft.
Einem 17-jährigen kann man diesen Fehler, den er ja als solchen schon bald erkannt hat, nachsehen. Im Gegensatz zu so manchem ewig gestrigen, der bis heute noch nix kapiert hat und junge Leute wieder in diese Richtung lotst.

Ich hab heute gehört, dass u.a. Simon Wiesental von dieser Geschichte wusste und Grass nicht outen wollte, da dieser als linke Gallionsfigur dann eventuell beschädigt werden könnte. Genau der Meinung bin ich eben nicht. Einem, der sich erklärt, der nichts beschönigt, dem nehme ich den Wandel ab. Im Gegensatz zum Beispiel (man verzeihe mir den Vergleich) zu Merkel und Althaus, die heute so tun, als wären sie schon immer gegen die DDR gewesen.



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Adeodatus
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14.08.2006 ~ 16:34 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
Beitrag Kennung: 20534
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Zitat:
1944-1946
Einberufung zum Luftwaffenhelfer.
Bis 1946 bleibt Grass in amerikanischer Gefangenschaft.


So steht es nun noch immer in seiner offiziellen Biographie, es ist im Prinzip eine kleine Mogelei im Lebenslauf aber was ihm auf die Füße fällt ist das er bis zum Bekenntnis geschwiegen hat da hilft ihm auch nicht das er laut seiner Aussage keinen einzigen Schuss abgegeben hat.

Er hat nun einmal immer den Moralapostel gegeben wer kennt nicht seine Aussagen zur Nazi-Vergangenheit des österreichischen Ex-Bundespräsidenten Kurt Waldheim.

Zitat:
Waldheims Darstellung seiner militärischen Vergangenheit steht in vielen Punkten nicht im Einklang mit den Ergebnissen der Kommissionsarbeit. Er war bemüht, seine militärische Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu lassen, und sobald das nicht mehr möglich war, zu verharmlosen. Dieses Vergessen ist nach Auffassung der Kommission so grundsätzlich, dass sie keine klärenden Hinweise für ihre Arbeit von Waldheim erhalten konnte.


So Günter Grass über Waldheim.

Die Frage ist sagt Grass in seinem Bekenntnis nun die Wahrheit oder ist es vieleicht bloß ein Toller PR-Schachzug zur Steigerung der Autobiographieauflage?



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Hanfklub   FT-Nutzer
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14.08.2006 ~ 18:37 Uhr ~ Hanfklub schreibt:
im Forum Thüringen seit: 08.06.2006
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Die gesamte Diskussion dient nur der Füllung der Schlagzeilen im Sommerloch.
Jeder weiß, daß gegen Kriegsende alles was noch laufen konnte zum Volkssturm eingezogen wurde. Wer sich widersetzte wurde unverzüglich erschossen. Man hatte also keine Wahl. Ähnlich wird es uns in einigen Jahrzehnten ergehen, da werden wir nämlich am Pranger stehen und uns fragen lassen müssen warum wir nichts gegen das Unrechts-BRD-Regime unternommen haben, sondern uns 'bequem eingerichtet' haben wie das so schön heißt.



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jandark   jandark ist männlich Zeige jandark auf Karte FT-Nutzer
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14.08.2006 ~ 20:43 Uhr ~ jandark schreibt:
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gelesener Beitrag - ID 20571


Zitat:
Original von spidy
Er hat nun einmal immer den Moralapostel gegeben wer kennt nicht seine Aussagen zur Nazi-Vergangenheit des österreichischen Ex-Bundespräsidenten Kurt Waldheim.


In Erinnerung behalten habe ich nur die Bemerkung des damaligen österreichischen Bundeskanzlers zu Kurt Waldheims Mitgliedschaft in der Reiter-SA:

"Ich stelle fest, daß Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd." großes Grinsen


gruß

jandark



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Simson   Simson ist männlich Zeige Simson auf Karte Benutzerkonto am 16.04.2013 gelöscht
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14.08.2006 ~ 21:07 Uhr ~ Simson schreibt:
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gelesener Beitrag - ID 20575


Zitat:
GÜNTER GRASS

Der Herr der Binse

Von Henryk M. Broder

Ein Unglück kommt selten allein. Ullrich war gedopt, Grass war bei der Waffen-SS. Umgekehrt wäre es natürlich noch schlimmer, aber auch so, wie es ist, fällt das Urteil über die gefallenen Helden vernichtend aus. Wie konnten sie nur? Und vor allem: Warum haben sie es uns nicht früher gesagt?

Ullrich wird sich von seinem Sturz erholen, er ist noch jung. Aber Grass, der große wortgewaltige GG, der Nobelpreisträger, die moralische Instanz, die Stimme der Entrechteten und Gedemütigten, der Mann für alle Jahreszeiten des Feuilletons, die Quersumme aus Thomas Mann, Frantz Fanon und Popeye, Grass ist erledigt.

Man wird ihm den Nobelpreis nicht aberkennen, die Schweden werden sich nicht blamieren wollen, aber man wird ihn fortan nur noch als die Karikatur seiner selbst wahrnehmen und ihm einen Platz in der Hall of Shame zuweisen.

Man ist versucht, Mitleid mit dem armen GG zu empfinden, wie man es mit jedem Menschen empfinden würde, der auf die 80 zugeht und plötzlich vor einem Scherbenhaufen steht - genau an der Stelle, wo er eigentlich die Glückwunschkarten aufbauen wollte. Die Reaktionen auf sein spätes Geständnis, er habe in der Waffen-SS gedient, sagen mehr über seine Freunde und Feinde als über ihn aus.

Auf so einen haben wir gehört?

Es ist, als würde eine Familie kurz vor Weihnachten erfahren, dass Oma als junge Frau auf den Strich gegangen ist, ausgerechnet Oma, die sich immer als besonders sittenstreng gebärdet und ihren Enkeltöchtern das Tragen von Miniröcken verboten hat. Und nun fragen sich alle: Wohin mit Oma? Man mag sie nicht aus dem Hause jagen, aber weiter am selben Tisch mit ihr sitzen, das möchte man auch nicht. Man kann einem/einer 80-Jährigen nicht zum Vorwurf machen, was er/sie mit 17 gemacht hat. Man kann auch nicht verlangen, dass ein Mensch alle Jugendsünden beichtet, sobald er/sie zu einer Person der Zeitgeschichte avanciert ist. In der Empörung über Grass artikuliert sich vor allem die Wut seiner Verehrer über ihr eigenes Verhalten: Auf so einen haben wir gehört? Von so einem haben wir uns Moral predigen lassen?

Der senkrechte Fall des Bürgers Grass veranschaulicht, wie stark auch in einer liberalen und permissiven Gesellschaft das Verlangen nach Autoritäten und Wegweisern ist, die einem sagen, wo es lang geht. Umso heftiger fällt dann die Enttäuschung aus, wenn einem plötzlich bewusst wird, dass man dem Falschen hinterher gelaufen ist.

Aber dafür kann Grass nichts, im Gegenteil. Der Politiker Grass hat immer wieder Beweise seiner anmaßenden Inkompetenz geliefert, die von seinen Anhängern beharrlich als die weisen Worte des großen Vorbeters missverstanden wurden. Grass nannte die DDR eine "kommode Diktatur" und sah in der deutschen Teilung eine "Strafe für Auschwitz"; es verstand sich von selbst, dass er zu den Unschuldigen im Westen gehörte, die das Verbüßen der Strafe den Verurteilten in der DDR überließen.

Große Gesten, großer Eifer

Fast immer, wenn Grass sich zu Wort meldete oder um seine Meinung gefragt wurde, redete er wohlfeilen Unsinn, den er mit großen Gesten begleitete: Für den Frieden und gegen die Armut, für die Dritte Welt und gegen den Kapitalismus, für das Gute und gegen das Böse. Er zitierte gerne sich selbst und wurde gerne von Leuten zitiert, die eine Legitimation brauchten, wenn sie das Prinzip von Ursache und Wirkung auf den Kopf stellen und Täter zu Opfern stilisieren wollten.

Grass war unter den ersten, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 um Verständnis für die Motive der Terroristen warben und die Ursachen des Terrors im Westen lokalisierten. Wir sollten uns darüber bewusst sein, forderte er immer wieder, dass es unsere Politik ist, die aus den Ausgebeuteten Terroristen macht - auch wenn die Terroristen aus Mittelschicht-Familien kamen und die Vorteile des guten Lebens im dekadenten Westen genossen hatten. So war es nur konsequent, dass Grass anlässlich der Bewerbung Lübecks zur Kulturhauptstadt Europas den Vorschlag machte, eine Lübecker Kirche zur Moschee umzuwidmen. Das wäre "eine große Geste", dazu angetan, die Beziehungen zu den Moslems und zugleich die Chancen Lübecks bei der Wahl zur Kulturhauptstadt zu verbessern. "Wieder einmal hatte G.G. den G-Punkt seiner Klientel stimuliert, die im Bestreben, nicht intolerant zu scheinen, einen Masochismus pflegt, der der Selbstaufgabe nahe kommt", schrieb daraufhin Günther Latsch im SPIEGEL.

Auch wenn es darauf ankam, antiamerikanische Ressentiments zu befördern, legte Grass großen Eifer und Gratismut an den Tag. Beim PEN-Kongress im Mai 2006 in Berlin ("Schreiben in friedloser Welt") hielt er eine flammende Rede, die zu einem großen Teil aus einer Verbeugung vor Harold Pinter bestand, der seinerseits in einer Nobelpreisrede vom Dezember 2005 sämtliche Verfehlungen, Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen der Amerikaner aufgelistet hatte, von Griechenland bis Chile, von Indonesien bis Haiti.

Pinter rechnete mit den USA ab und Grass stimmte ihm vorbehaltlos zu. "Harold Pinter hat das Unrecht benannt. Beispielhaft hat er bewiesen, was ,Schreiben in friedloser Zeit' bewirken kann." Und die in Berlin versammelten "Silbenstecher, Lautverschieber, Wörtermacher und Nachredner unterdrückter Schreie", wie Grass seine Kollegen bezeichnet hatte, dankten es ihm mit minutenlangen Ovationen.

Nie um eine finale Stellungnahme verlegen

Grass war derart damit beschäftigt, Pinter zu preisen und die USA zu verdammen, dass er keinen Satz, kein einziges Wort über den iranischen Präsidenten Ahmadinschad verlor, dessen Drohung, Israel von der Landkarte zu tilgen, ihm unmöglich entgangen sein konnte. Angesichts der von den USA in der Vergangenheit begangenen Sünden war das eine Petitesse, die er souverän beschwieg. Auch im Streit um die Mohammed-Karikaturen bezog die "moralische Instanz" eindeutig Stellung. Grass sprach von einer "bewussten und geplanten Provokation eines konservativen dänischen Blattes" und nannte die gewalttätigen Ausschreitungen der Moslems eine "fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat". Grass gab sich nicht damit zufrieden, eine Äquidistanz zwischen den dänischen Karikaturisten und dem rasenden Mob herzustellen, wobei der Mob insofern in einer moralisch überlegenen Position war, weil er nur reagierte, er fällte gleich ein Grundsatzurteil: "Wir haben das Recht verloren, unter dem Recht auf freie Meinungsäußerung Schutz zu suchen. So lang sind die Zeiten der Majestätsbeleidigung nicht vorbei, und wir sollten nicht vergessen, dass es Orte gibt, die keine Trennung von Staat und Kirche kennen."

So tollte er durch Raum und Zeit und war nie um eine finale Stellungnahme verlegen. Er gerierte sich als Einzelkämpfer und Querdenker und sprach doch nur das aus, was der bildungsnahe Stammtisch denkt. Zwischendurch forderte er "Respekt" ein, und wenn der ihm verweigert wurde, drohte er nicht nur damit, Deutschland zu verlassen, sondern zog tatsächlich nach Kalkutta. Wo er es freilich nicht lange aushielt, weil niemand von ihm wissen wollte, wie man die Probleme Indiens lösen könnte.

Produkt der Exegeten

Grass ist mindestens genauso das Produkt seiner Exegeten, Propheten und Apologeten wie seiner eigenen Umtriebigkeit. Als Dichter aus Mangel an Konkurrenz auch dann gefeiert, wenn er schwache Werke vorlegte, als politischer Denker maßlos überschätzt, der kleine Mann im Ohr von Gerhard Schröder, der Herr der Binse.

Dass er vor 60 Jahren der Versuchung nicht widerstehen konnte, der Waffen-SS beizutreten, erklärt er heute damit, dass ihn das "Antibürgerliche" anzog. Die Waffen-SS war die Prätorianer-Garde der Nazis, eine Elite-Einheit. Grass hatte schon früh ein Faible für das Elitäre. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ärgerlich an der Affäre ist nur eines: Dass auf dem Umweg über Grass die Waffen-SS rehabilitiert wird. Wenn Grass dabei war und sich die Hände nicht schmutzig gemacht hat, können die Jungs so schlimm nicht gewesen sein, eine kämpfende Truppe eben, mit einem etwas abgehobenen Bewusstsein, der Rohstoff aus dem Romane geformt werden. Das Denkmal ist gestürzt. Der Sockel bleibt.


Quelle: SPIEGEL ONLINE-Artikel vom 14.08.2006



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Adeodatus
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15.08.2006 ~ 09:01 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
Beitrag Kennung: 20608
gelesener Beitrag - ID 20608


Ich habe gerade in dem Artikel " Grass über Grass " eine sehr interessante Stelle gefunden die meine Vermutung stärkt das Grass einen Tollen PR-Schachzug zur Steigerung der Autobiographieauflage mit diesem Geständnis machen will!

Zitat:
Grass: "Man will mich zur Unperson machen"

Grass selbst hat das Medienecho als persönlich verletzend kritisiert. "Sicher ist es auch der Versuch von einigen, mich zur Unperson zu machen", sagte der Literatur-Nobelpreisträger (7cool am Montag in einem dpa-Gespräch. "Deshalb bin ich dankbar, dass es differenzierende Gegenstimmen gibt. Ich kann nur hoffen, dass einige Kommentatoren jetzt mein Buch genau lesen." In seiner am 1. September erscheinenden Kindheits- und Jugend-Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" berichtet Grass unter anderem erstmals über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS.


Er hofft nicht nur auf einige Kommentatoren sondern darauf das das Buch auf Grund des Geständnisses ein Verkaufsschlager wird. So stellt sich für mich jetzt inzwischen das Grass Geständniss dar.



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Hugo   Hugo ist männlich Zeige Hugo auf Karte FT-Nutzer
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15.08.2006 ~ 09:33 Uhr ~ Hugo schreibt:
im Forum Thüringen seit: 11.07.2006
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gelesener Beitrag - ID 20611


Seh ich auch so.



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Herasun   Herasun ist weiblich Zeige Herasun auf Karte FT-Nutzerin
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15.08.2006 ~ 18:09 Uhr ~ Herasun schreibt:
im Forum Thüringen seit: 13.04.2006
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gelesener Beitrag - ID 20633


Zitat:
Original von spidy
Zitat:
Grass: "Man will mich zur Unperson machen"

Grass selbst hat das Medienecho als persönlich verletzend kritisiert. "Sicher ist es auch der Versuch von einigen, mich zur Unperson zu machen", sagte der Literatur-Nobelpreisträger (7cool am Montag in einem dpa-Gespräch. "Deshalb bin ich dankbar, dass es differenzierende Gegenstimmen gibt. Ich kann nur hoffen, dass einige Kommentatoren jetzt mein Buch genau lesen." In seiner am 1. September erscheinenden Kindheits- und Jugend-Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" berichtet Grass unter anderem erstmals über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS.


Er hofft nicht nur auf einige Kommentatoren sondern darauf das das Buch auf Grund des Geständnisses ein Verkaufsschlager wird. So stellt sich für mich jetzt inzwischen das Grass Geständniss dar.


@ spidy,das ist das, was du aus diesem Satz herauslesen oder in ihn hineininterpretieren willst. Und sicherlich viele Andere auch.
Für mich stellt sich das Geständnis von Grass durch diesen einen Satz jedenfalls nicht anders dar als vorher.
Ich bezweifle nach wie vor, daß Grass einen derartigen PR-Schachzug nötig hat.



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Adeodatus
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15.08.2006 ~ 18:43 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
Beitrag Kennung: 20634
gelesener Beitrag - ID 20634


Ich denke mal schon das er einen PR-Schachzug nötig hat er ist ein International anerkannter Schriftsteller und Maler, doch hat er sich bei mancher Gelegenheit weit aus dem Fenster gelehnt was seinen Ruf auf der einen Seite als Demokrat nutzte aber zum Beispiel bei vielen Amerikanern und deren Anhängern nicht gerade auf Gegenliebe gestossen sein Dürfte wie seine Rede zur Eröffnung des 72. Internationalen Kongresses für Schriftsteller in Berlin er sagte zur Amerikanischen Außenpolitik

Zitat:
Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat die amerikanische Regierung in einer flammenden Rede kritisiert und ihr vorgeworfen, den Terrorismus zu fördern. "Der von ihr gewollte und die Gesetze der zivilisierten Welt missachtende Krieg fördert den Terror und kann nicht enden", sagte der 78-Jährige am Dienstag zur Eröffnung des 72. Internationalen P.E.N.-Kongresses in Berlin. Die "Verbrechen der USA" seien "systematisch, konstant, infam und unbarmherzig". Die rund 450 Delegierten belohnten Grass' Rede mit Bravo-Rufen und Standing Ovations. http://www.stern.de/politik/deutschland/561723.html?nv=ct_mt


Und ich persönlich finde richtig was er gesagt hat, nur der Mann lebt nun einmal vom Verkauf seiner Kunst, und da ist es eben gut wenn man die sprichwörtliche " Leiche im Keller hat "!

Ach noch eine Anmerkung! Ich habe gerade den Smilie in meinem Zitat und auch bei Dir gesehen, der Smilie wurde nicht durch mich im Zitierten Text eingefügt sondern ist aus einem Satzzeichen entstanden!


Dieser Beitrag wurde 3 mal bearbeitet, zum letzten Mal von Adeodatus: 15.08.2006 18:46.



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carlos
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16.08.2006 ~ 11:49 Uhr ~ carlos schreibt:
Beitrag Kennung: 20723
gelesener Beitrag - ID 20723


Der PR-Schachzug hat funktioniert, das Buch hatte mittlerweile verkaufsrang 1 bei Amazon erreicht.

Dem Internet und den Foren sei Dank.



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Adeodatus
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16.08.2006 ~ 11:57 Uhr ~ Adeodatus schreibt:
Beitrag Kennung: 20724
gelesener Beitrag - ID 20724


Na also! Ein Schelm der böses dabei denkt!

Aber irgendwie muss es aber doch schon früher bekanntgewesen sein das ist mir beim Lesen eines Artikels im Stern erst richtig aufgefallen.

Zitat:
Unterdessen wurde bekannt, dass Grass seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS offenbar schon früher einmal, als amerikanischer Kriegsgefangener, eingeräumt hat. So sollen mehrere bislang unbekannte Dokumente der US-Militärbehörden belegen, dass der spätere Nobelpreisträger sich unmittelbar nach Kriegsende bei den Amerikanern zu seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS bekannte. Ein entsprechendes Formular trage Grass' Unterschrift, "es gibt aber kein protokolliertes Geständnis", sagte "Spiegel"-Autor Klaus Wiegrefe.


Ich gehe einmal davon aus das die Amerikaner ihre Kriegsgefangenen genau registriert haben, und somit Dienstgrad, Einheit usw. in Ihren Unterlagen verzeichnet gewesen sein muss. Somit wäre das ganze kein spätes Geständnis sondern eine neuerliche Bekanntmachung.



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