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RE: Religiöser Irrsinn - und seine Folgen |
Beitrag Kennung: 874365
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5605. Dieß Evangelium (Mattb. 13, 24 — 30.) lehret, wie
es in der Welt zugehet mit dem Reich Gottes, das ist, mit der
Christenheit, sonderlich der Lehre halben, nämlich, daß deß nicht
zu warten ist, daß eitel rechtgläubige Christen und reine Lehre
Gottes aufErden sein sollten; sondern es müssen auch falsche Chri
sten und Ketzer sein, auf daß die rechten Christen bewähret wer
den, wie St.Paulus saget t Kor. 1>, l9. Denn diese Gleichniß
redet nicht von den falsche» Christen, die allein im Lebe» äußerlich,
sondern von denen, die mit der Lehre und Glauben unchristlich sind,
unter dem Namen Christen, welche schön gleißen und schädlich find.
Es ist um das Gewissen zu thun, nicht um die Hand. Und müssen
gar geistliche Knechte sein, die solch Unkraut erkennen sollen unter
dem Weizen. Und ist Summa davon, daß wir nicht wundern,
noch erschrecken sollen, so sich unter unö erheben mancherlei falsche
Lehre und Glauben. Der Teufel ist auch immer Umer den Kindern
Gottes, Job. ,. 6. Aufs andere, wie wir uns halten sollen gegen
denselbigen Ketzern und falschen Lehrern. Nicht sollen wir sie aus
rotten, noch vertilgen. Er spricht öffentlich allhier, man solle es
lassen mit einander wachsen. Mit Gottes Wort soll man hier
allein handeln; denn es gehet also zu in dieser Sache, daß wer
heute irret, kann morgen zurecht kommen. Wer weiß, wenn das
Wort Gottes sein Herz rühren wird? Wo er aber verbrennet oder
sonst erwürget wird, so wird damit gewehret, baß <r nicht kann
zurecht kommen; und wird er also dem Wort Gottes entrücket, daß
er muß verloren sein, der sonst hätte mögen selig werde». Da
geschiehet denn, das hier der Herr sagt, daß der Weizen wirb auch
mit ausgerauft, wenn man das Unkraut ausgjätet. Das ist denn
gar gräulich Ding vor Volt, und nimmermehr zu verantworten.
Daraus merke, welche rasende Leute wir sind so lange Zeit gewesen,
die wir die Türken mit dem Schwerdt, die Ketzer mit dem
Feuer, die Juden mit Tobten haben wollen zum Glauben zwingen,
und das Unkraut ausrotten mit unserer eigenen Gewalt; gerade
als wären wir die Leute, die über Herzen und Geister regieren
könnten, und wir sie möchten fromm und recht machen, welches
doch allein Gottes Wort thun muß. Aber wir scheiden die Leute
von dem Wort mit dem Morden, daß es kann an ihnen wirken,
und bringen also auf einmal zween Mord auf uns, so viel
an uns liegt, nämlich, daß wir den Leib zeitlich und die Seele
ewiglich zugleich ermorden, und sagen darnach, wir haben
Gott einen Dienst daran gethan, und wollen was Sonders im
Himmel verdienet haben. Darum sollte dieser Spruch billig die
Ketzermeister und Leutemörder erschrecken, wo sie nicht eiserne Stir
nen hätten, ob sie gleich rechte Ketzer vor sich hallen. Nun aber
verbrennen sie die rechten Heiligen, und sind selber Ketzer. Was
will das anders heißen, denn daß sie den Weizen ausraufen, und
geben für, das Unkraut ausgjäten, wie unsinnige Menschen?
Xl. 69.'.
5W6. Es muß also sein und gehet nicht anders zu. Es müssen
auch die unnützen Wasserreben unter den rechten Reben wachsen,
und wo Gottes Wort gehet, muß sich der Dreck auch ans Rad
hängen. Also mußte Judas unter den Aposteln, unter den Jüngern
Nicolaus und Simon der Zauberer, unter den Vätern Arius, Eabellius,
Marcion, und hernach immer andere Rotten sein. Wo
kommen solche her, ohne aus dem Häuflein, das da Gottes Volk
und Kirche ist? und woher haben sie ihren Gift gesogen, denn
eben aus der rechten heiligen Schrift, so die rechten Christen
haben? Da haben sie sich allezeit mit ihrem Koth angehänget, und
die Christenheit durch Rotten und Ketzerei zerrüttet. Hier sähet
denn die kluge Welt an wider uns zu schreien: Was hat das neue
Evangelium aufgebracht, denn eitel Büberei? Was kommt aus
der Schrift, denn eitel Ketzerei und Irrlhum? Also malen und
färben sie die Kirche Christi, nicht anders, denn eine rechte Bu
benschule, und die Biblia ein recht Ketzerbuch; wie es der Papst
mit seinen Pfaffen nennet. Denn aus der Heiden Glauben und
Aristotelis oder anderer Heiden Bücher ist freilich noch nie keine
Ketzerei entstanden, sie sei denn zuvor in der Kirche gewest, und
ans der Schrift hervorgebracht. Also auch, der Römische Rath,
Kaiser und Königreiche haben nie keinen Ketzer gemacht, sondern
sie müssen aus der Christenheit kommen; nicht, daß die Kirche
ketzerisch sei, oder falsche Lehre in der Schrift gefunden werde;
sondern es gehet ihr gleich wie der schönen Rose, daraus die Spinne
eitel Gift säuget; nicht, daß Gift in der Rose sei, wie denn das
liebe Bienlein Nichts denn Honig daraus sauget: sondern es ist der
Spinne Schuld, welche auch, das süße und gut ist, verderbet,
worüber sie kommet, und Alles zu Gift macht, ob sie auch Zucker und
Honig im Munde hat; und gleich als so man Gift unter Malvasier
gösse, oder in ein vergiftet Gefäß thäte, wer davon trinket,
der trinket und empfähet eitel Gift, nicht des Weins, sondern des
Gefäßes halben. Also auch hier: Die Biblia ist wohl ein reiner,
lautrer Malvasier, ja, eine rechte heilsame Arzenei und Labsal;
aber wenn die unreinen, bösen Würmer darüber kommen, und
mit ihren giftigen Gedanten, von dem Teufel eingegossen, herausschöpfen
und zu sich nehmen, so speien sie für Malvasier eitel Gift
heraus. Darum wird Ketzerei und falsche Lehre nirgend, denn aus
der Schrift geholet und geführet; aber doch nicht durch derselben
reine Lehre, sondern durch ihre vergiftete Gedanken, so der Teufel
in sie gesenket hat. Denn sie wollen traun alle ihr Ding, als in
der Schrift gegründet und daraus genommen, bestätigen; und
führens doch nur aus unreinem Herzen, dadurch sie die Schrift
verfälschen. Denn sie sind böser Art, und falsche Reben, die keinen
heilsamen Saft in sich habe/, noch von sich geben können, genießen
wohl des Safts vom reinen Weinstock; aber nicht, daß sie Frucht
bringen, sondern nur Schaden zu thun. Denn sobald sie solchen
Saft empfahen, haben sie ihn verderbt, und beide, ihnen und
Andern zu tödtlichem Gift gemacht, da die rechten Reben eitel
guten, süßen Saft haben und geben. Darum ijis wahr, es kommen
Buben aus der Kirche, und Ketzerei aus der Schrift; wo sollten
sie sonst herkommen? und was könnten sie sonst von Gott oder
vom Glauben wissen? Aber wir sagen gleich, wie St. Johannes
spricht 1 Epist. 2, 19: Sie sind wohl von uns kommen; sie sind
aber nicht von uns gewesen; denn wären sie von uns, oder unserer
Art gewesen, so wären sie auch bei uns blieben. Vlll. 324.
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