Magnus1950 Benutzerkonto wurde gelöscht
13.08.2009 ~ 13:09 Uhr ~ Magnus1950 schreibt:
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RE: Ein neuer "Buchenwald-Roman"! |
Beitrag Kennung: 302777
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Hallo,
es ist schon eigenartig, aber wenn einen was bewegt, dann treffen auch die Informationen ein, hier bei meinem Kurzurlaub am Bodensee (Quelle: Südkurier.de):
"V.H. Altwassers Roman „Letzte Haut“ [1]
Ist der Mann mutig! Immer wieder drängt sich beim Lesen dieser Gedanke auf. Ist der Mann mutig! Gemeint ist nicht der Protagonist des Romans, sondern dessen Schöpfer selbst. Volker Harry Altwasser, Jahrgang 1969, hat es gewagt, einen historischen Roman über einen SS-Richter zu schreiben. Es ist also ein Angehöriger der Enkelgeneration, der sich hier literarisch der NS-Zeit annähert. Und das über zehn Jahre nach der umstrittenen Paulskirchenrede, in der Martin Walser mit der sprichwörtlich gewordenen „Moralkeule“ die mediale Dauerpräsenz deutscher Schuld anprangerte. Doch damit nicht genug. Der Roman spielt zudem über weite Strecken im Konzentrationslager Buchenwald. Ein Jungautor schreibt einen „KZ-Roman“ – kann das gut gehen? Es kann. Im Falle von Volker Harry Altwassers Roman „Letzte Haut“ sehr gut sogar.
Denn Altwasser hat sich in mehr als fünfjähriger Recherchearbeit minutiös in seinen Stoff eingearbeitet, und das zahlt sich auch literarisch aus. An keiner Stelle hat der Leser den Eindruck, hier berichte ein Außenstehender über ein angelesenes Sujet. Zu souverän, zu faktenreich entrollt Altwasser die reale und haarsträubende Geschichte des SS-Richters Georg Konrad Morgen. Der heißt im Roman Kurt Schmelz und soll mitten in den Kriegswirren die Korruption innerhalb der SS bekämpfen – geschützt durch einen „Geleitbrief“ des „Reichsführers SS“ Heinrich Himmler.
Während um ihn herum Häftlinge missbraucht und ermordet werden, läuft Schmelz zunehmend mit Scheuklappen durch das Konzentrationslager Buchenwald, in dem er auch sein Büro aufschlägt. Sein Befehl lautet lediglich, die Korruption zu bekämpfen. Darüber hinaus gehende Verbrechen interessieren den Richter nicht: „Mit bösem Blick lief er durchs Innere Lager, darauf bedacht, so wenig wie möglich wahrzunehmen.
Es betreffe den Einzelnen nur das, was ihn unmittelbar angehe, alles andere dürfe er nicht wissen, wie raffiniert dieser Führerbefehl Nummer eins doch war. Was für eine Sicherheit und was für eine geniale Möglichkeit sich zu verstecken, bot er doch allen, die sich an die Befehle hielten.“ Mitten im organisierten Massenmord ist Schmelz vergleichsweise irrelevanten Unterschlagungen auf der Spur, die er immerhin erfolgreich aufdeckt: Das Banale geht, das Böse bleibt.
Zu dieser ersten Schuld des permanenten Wegsehens kommt bald eine zweite, größere Schuld. Um den Kommandanten des Konzentrationslagers Karl Koch zu überführen, inszeniert Schmelz seinerseits einen Mehrfachmord, den er dem persönlichen Feind unterschiebt. Die zynische Taktik geht auf: Nach einem achtzehnmonatigen Beweiskampf wird Lagerleiter Karl Koch der Unterschlagung, der Wehrkraftzersetzung und des Mordes überführt und zum Tode verurteilt. Unmittelbar vor der Kapitulation Nazideutschlands wird das Urteil noch vollstreckt.
Eingeschoben in das historische Grauen sind Textblöcke, in denen der greise Kurt Schmelz auf sein Leben zurückblickt. Erst nachdem seine Frau ihn verlassen hat, kommt ein Erinnerungsprozess in Gang. Analog zum Grass'schen „Häuten der Zwiebel“ zieht sich Schmelz immer größere Hautfetzen vom Leib. Schmelz' „Spiegel der Seele“ ist physisch durch den Immundefekt Morbus Behçet destabilisiert, psychisch aber durch die eigene Schuld. Die Schuld, Mord mit Mord vergolten zu haben. Einsam und von der Erinnerung gepeinigt vegetiert der Richter dahin.
Eine tiefschürfende, packende und erschreckende Geschichte – absolut lesenswert!
Björn Kern
Volker Harry Altwasser: „Letzte Haut“. Roman. Matthes & Seitz , München. 476 S., 22,80 Euro."
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KOMMENTARE [1]
"Volker Altwasser "Letzte Haut"
von Historicus (1 Beiträge) 11.08.2009 13:26
Als Student der PW und Geschichte interessiere ich mich natürlich für historische Romane. Ich wurde auf diesen Roman durch eine Diskussion in meiner Geschichtscommunity aufmerksam. Thread: Dr. Konrad Morgen.
http://www.geschichtsforum.de/f82/dr-konrad-morgen-27746/
Hier wurde der historische Hintergrund des Romanes diskutiert.
Ich kann Herrn Kern nur zustimmen, ein packender, lesenswerter Roman, "minutiös recherchiert" und mit einer fesselnden Rahmenhandlung versehen. In diesem Roman wird von Schuld erzählt, Schuld die dieser Richter auf sich nimmt, um seiner Karriere willen.
Lesenwert!
Historicus"
Der link zu diesem Artikel:
http://www.suedkurier.de/news/kultur/kul...t410935,3894219
Ich empfinde es als bemerkenswert, wenn eine eher regional orientierte Zeitung eine solche Rezension druckt.
Magnus
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