|
|
|
|
Erstellt: 27.02.06, 10:55
Die bösen 18 Minuten - Prolog:
Es gibt zwei Sorten Menschen. Dei "Wahren menschen" und die "Unholde".
Ein wahrer Mensch ist, wer heute für den Aufschwung ist, und alles in seinen Kräften Stehende tut, um die Lohnnebenkosten zu senken, darf mit dem gleichen Recht ein wahrer Mensch genannt werden, wie derjenige, der als Ministerpräsident oder Bürgermeister dem Ziel des ausgeglichenen Haushalts nachhängt und nicht zögert, dafür solange Volksvermögen und Stellen abzubauen, bis es - was unwahrscheinlich ist - wirkt, oder nichts davon mehr übrig ist. Wahre Menschen mühen sich, das Renteneintrittsalter zu verschieben, damit die Altersarmut eintritt, solange die Menschen noch flexibel genug sind, sich daran zu gewöhnen, und wahre Menschen schaffen es, Arbeit zu schaffen, ohne dass gleichzeitig exporthemmende Personalkosten entstünden. Die einen drucken im Vollbesitz der westlichen Meinungsfreiheit boshafte Karikaturen, die anderen verteidigen die Ehre ihres Propheten mit Brandanschlägen und Steinwürfen. Die einen schaffen Verdachtsmomente und Bedrohungsszenarien, andere machen daraus Kriegsgründe und wieder andere drücken auf die roten Knöpfe, um Bedrohung und Bedroher möglichst fein zu zerstäuben.
Unholde entsagen dem Ideal des wahren Menschen. Statt selbst eine Bank zu gründen, überfallen sie Banken und rauben sie aus, statt in den Ölstaaten des Nahen Ostens die Demokratie zu verbreiten, überfallen sie Tankstellen, statt sich Diäten und Aufwandsentschädigungen bei Bedarf selbst zu erhöhen, legen sie mit sinnlosen Streiks die Wirtschaft lahm, statt steigende Preise ohne Murren zu bezahlen, laufen sie als ekelerregende Obdachlose durch die Innenstädte und pöbeln unschuldige Passanten an.
Glücklicherweise gelingt es immer besser, immer mehr dieser Unholde in Gewahrsam zu nehmen, und immer mehr der potentiellen Unholde durch die Nutzung modernster Technik so umfassend zu überwachen, dass sie kaum noch nennenswerten Schaden anzurichten in der Lage sind. Außerdem ist es glücklicherweise gelungen, alle wichtigen Medien nach und nach vollkommen unholdfrei zu machen, so dass nur noch die Meinungen und Kommentare wirklich wahrer Menschen öffentlich verbreitet werden, was viel zur Stabilisierung des wahren Menschentums in diesem, unserem Lande beigetragen hat.
Wegen lächerlicher 18 Minuten wollen ein paar egoistisch-kurzsichtige Arbeiter und Angestellte, aufgestachelt von den letzten Unholden dieses Landes, die es geschafft haben, ihre destruktiven Triebe als Gewerkschaftsführer ausleben zu dürfen, mit ihrer Weigerung, 18 Minuten mehr zu arbeiten, dem Steuerzahler neue Milliardenlasten aufbürden. Das ist doch völlig unangemessen. Wo bleibt denn da das Verantwortungsgefühl für die Allgemeinheit, für Volk und Staat ...
Ein Unhold, wer da boshaft stichelt, es sei doch unglaubwürdig, dass lächerliche 18 Minuten auf der einen Waagschale die andere, euromilliardenschwere Waagschale ins Gleichgewicht bringen könnten.
Ein Unhold, wer so weit geht, 18 Minuten pro Tag über 40 Beschäftigungsjahre mit je 230 Arbeitstagen auf volle 18 Monate Lebensarbeitszeit hochzurechnen und noch dazu volksverhetzend behauptet, das entspräche eineinhalb Jahren übelster Sklaverei, weil der Sklavenhalter während dieser Zeit noch nicht einmal für Unterkunft und Verpflegung aufzukommen gedenkt, was zu Zeiten der Sklaverei in Virginia und Umgebung immerhin noch als sozialer Standard galt.
Ein wahrer Über-Unhold, wer ausrechnet, dass die Mehrarbeit der Einen zu weniger Arbeit bei den Anderen führen muss, dass je 25 freiwillig und umsonst länger Arbeitende die Entlassung jedes Sechsundzwanzigsten bewirken, dass insgesamt auf diese Weise bei den öffentlichen Arbeitgebern über 200.000 Stellen entfallen, über 200.000 Menschen Arbeit und Brot verlieren, und das in Zeiten, in denen sowieso schon über 5 Millionen offiziell zugegebene Arbeitslose zu bedauern sind.
Die Bibel sagt dazu: "Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht!" (Sprüche 1,10)
Der wahre Mensch weiß doch, dass Arbeitszeitverkürzung die Lohnkosten erhöht, dass höhere Lohnkosten zu Umsatzeinbußen und die wiederum direkt zu steigender Arbeitslosigkeit führen. Der wahre Mensch kann also voraussetzen, dass unbezahlte Mehrarbeit - und die Bundeskanzlerin war da schließlich auch schon immer dafür - nicht zu mehr Arbeitslosigkeit führt, sondern, wie der Name schon sagt, zu mehr Arbeit, und darauf kommt es an. Es soll möglichst jeder Deutsche, sobald er die für seinen Job notwendige Ausbildung erhalten hat, bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters arbeiten. Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Auf Arbeit kommt es an. Sozial ist, was Arbeit schafft.
|
|
|
|
|
|
|