Als die Deutschen noch Flüchtlinge waren
200.000 Ausländer standen in jenem Sommer im Lande. Nicht alle waren Flüchtlinge. Aber die Ungarn mochten sich dennoch fragen, ob die, die nur vorgaben, Urlauber zu sein, nicht eigentlich auch auf der Flucht waren. Man konnte diesen Ausländern nicht trauen. Sie waren verschlagen und hatten die seltsamsten Aussichten. Ihre Einstellung zum Leben war sonderbar und nicht immer nachvollziehbar. Außerdem waren sie ein kriegerisches Völkchen. Erst vor zwanzig Jahren waren sie im damaligen Bruderland Tschechoslowakei einmarschiert. Wer mochte diesem Menschenschlag schon trauen? Manche sollen gar ihre Eltern zurückgelassen haben in der Heimat. Machten das anständige Leute? Jetzt zelteten sie auf ungarischen Wiesen und wollten Wohlstand und Freiheit erfahren. Mancher Ungar meinte, die sollten zurück nach Hause trabieren und selbst an besseren Lebensumständen basteln und nicht einfach die Hand aufhalten.
Wirtschaftsflüchtlinge. Ja, das waren sie seinerzeit tatsächlich. Weil es im eigenen Staat nicht mehr lief, weil man endlich mehr wollte als das, was man zugeteilt bekam, machten sie sich auf den Weg. Ein Exodus fand statt. Politisch verfolgt waren die Leute ja durchaus nicht. Sie wären nicht gefoltert oder eingesperrt worden. Nein, sie wollten nur vom Wohlstand profitieren, den andere westlich der Grenze geschaffen haben. So glaubten das damals nicht nur die Ungarn, die es jetzt ausbaden durften. Ausgerechnet sie mussten nun diese Flüchtlingsherden ertragen. Dreckige Menschen aus Zeltstädten, die komisch redeten, eine kuriose Esskultur pflegten, sich von den Einheimischen nicht nur abgrenzten, sondern durch und durch kriminell waren. So mochte das mancher Ungar gedacht haben. Man kennt das Pack doch, das gemeinhin Heimat verlässt. Es sind ja nicht die Anständigen, die das machen. Immer treibt es dunkle Gestalten weg. Und ist in ungarischen Städten und Dörfern nicht auch mehr gestohlen worden in letzter Zeit? Die offiziellen Zahlen sagten etwas anderes. Aber das kannte man doch. Immer wird runtergespielt. Lügenpresse, Lügenpresse! |