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Geißler im FR-Interview - "CDU als Anwalt der Resignierten"
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gastli
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Wohnort: terrigenus
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16.10.2006 ~ 15:06 Uhr ~ gastli schreibt:
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im Forum Thüringen seit: 03.12.2005
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Geißler im FR-Interview - "CDU als Anwalt der Resignierten" |
Beitrag Kennung: 27763
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Das nun folgende interview sollte man auf keinen Fall verpasst haben.
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Frankfurter Rundschau: SPD-Chef Kurt Beck findet, der Aufstiegswille der "Unterschicht" ist erlahmt. Gibt ihm der christliche Sozialpolitiker Geißler Recht?
Heiner Geißler: Beck beklagt die eigenen Sünden: Sicher gibt es immer mehr Menschen, die keine Hoffnung auf Aufstieg mehr haben. Aber das ist die Folge von Agenda 2010 - einer SPD-Politik, mit der die Seele der Partei verraten wurde. Acht Millionen Menschen sind direkt oder indirekt von Hartz IV abhängig - meist keine Faulenzer, sondern Arbeiter und Angestellte, die ohne Schuld arbeitslos geworden sind und nun behandelt werden wie ein 22-jähriger Alkoholiker. "Unterschicht" ist schon deshalb falsch, weil heute Opel-Ingenieure und BenQ-Spezialisten Hartz-IV-Empfänger werden können. Das Kennzeichen der Betroffenen ist nicht Unwille, sondern Resignation.
Schnell hieß es auch: Endlich spricht mal ein SPD-Politiker aus, dass der Vorsorgestaat die Aktivität der Menschen bremst.
Wir haben keinen Vorsorgestaat. Die Leute sind versichert durch Beiträge, die sie selbst zahlen. Das Volumen unseres Sozialstaates ist nicht zu beanstanden. Nur seine Finanzierung muss reformiert werden. Was uns fehlt, sind Arbeitsplätze. Hunderttausende Menschen werden arbeitslos - nicht weil ihre Betriebe schlecht arbeiten, sondern weil sie wegen der Kapitalrendite oder globalem Lohndumping dichtgemacht werden. Unsere Aufgabe ist heute, die Globalisierung human zu gestalten. Dafür fehlen der Politik die Konzepte.
Wie müsste die Antwort der Union aussehen, wenn die SPD sich von ihrer Stammklientel abwendet?
Die Union müsste sich schon aus wahlstrategischen Gründen zum Anwalt der Abgehängten und Resignierten machen. Wenn Beck den marktradikalen Weg von Schröder fortführt, befürchte ich, dass sich in der CDU die Einfaltspinsel vermehren, die noch weiter weg von der Mitte neoliberal nach rechts rücken und zum Beispiel Hartz IV weiter verschärfen wollen. Sie werden die CDU bei Wahlen noch unter die 30 Prozent bringen. Früher haben wir um 50 Prozent gekämpft - aber da war die CDU noch eine Volkspartei.
(brillante Einschätzung der derzeitigen Situation in der eigenen Partei)
Womit konnte die CDU damals bei den Arbeitern punkten?
Sie hat ihnen eine Perspektive geboten. Sie stand für das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft. Heute erkennen die Wähler nur: Die politischen, ökonomischen und wirtschaftswissenschaftlichen Eliten haben keine Antwort auf die Globalisierung. Auch CDU und CSU stehen wie die Trottel daneben, wenn durch Lohndumping in Fernost die deutschen Arbeitsplätze verschwinden und zum Wohl der Aktienkurse Betriebe dichtgemacht werden. Die Arbeitslosen werden dem so oft verteufelten Sozialstaat vor die Tür gekippt, und keiner erklärt den Menschen, wie das künftig weitergehen soll. Wir brauchen ein Konzept für eine internationale soziale Marktwirtschaft und kein Herumhacken auf Leuten, denen es ohnehin schlecht geht. Beck könnte glatt Mitglied des Wirtschaftsrates der CDU werden.
Debattiert die CDU solche Konzepte?
Ich glaube, die Kanzlerin hat gemerkt, dass die CDU durch ihren marktradikalen Sinnesrausch die Wahl verloren hat.
(Hier irrt Geißler. Die Frau merkt absolut nichts.)
Der Wähler dachte, mit denen wird es noch schlimmer als mit der SPD. Jetzt wird intern über eine neue Wirtschaftspolitik diskutiert. Die der vergangenen zwanzig Jahre ist ja offensichtlich gescheitert.
Sie wollen mit den Stimmen der Arbeitslosen Wahlen gewinnen?
Ja, auch! Im Moment hören die Leute ununterbrochen: "Wir sind auf dem absteigenden Ast." Umgekehrt würde ein Schuh daraus: "Wir arbeiten an einem Konzept, das Euch auch zu Gewinnern der Globalisierung macht." So ein Konzept ist möglich - etwa mit Europa als einheitlichem Wirtschaftsraum ohne Lohn- und Steuerdumping. Früher hatte die CDU sogar absolute Mehrheiten in den Gefängnissen. Gerade die, denen es schlecht ging, verbanden mit der CDU mehr Hoffnungen als mit der SPD. Die CDU muss aus ihrer Perspektivlosigkeit heraus.
Interview: Steven Geyer
(Quelle FR)
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