Junge, brich die Lehre ab!

gastli
[KN]
Junge, brich die Lehre ab!
Die Ausbildung bei Harald Rathje zum Zimmermann macht Wladimir Brehm Spaß. „Er ist gut“, sagt der Handwerksmeister aus Flintbek über seinen Azubi. In der Berufsschule hat er Noten zwischen 1 und 2. Und dennoch denkt Brehm über eine Kündigung nach – weil das Jobcenter ihm genau das vorgeschlagen hat.
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Als Ausbildungsgehalt im ersten Lehrjahr gibt es rund 500 Euro, dazu kommt ein Wohngeld von 40 Euro. Aber das Leben ist nun mal teurer: Schon die kleine Wohnung (35 Quadratmeter) verschlingt 390 Euro, dazu kommen 40 Euro für Strom. „Mit 110 Euro komme ich nicht über die Runden. Das Fahrgeld zur Berufsschule muss ich auch schon selbst tragen“, sagt Brehm. Im ersten Lehrjahr stehen allein 16 Wochen Berufsschule in Rendsburg auf dem Programm.

Da es immer knapper wurde, ging Brehm zum Jobcenter Kieler Umland und fragte nach Unterstützung. Was er dort erfuhr, hat ihn enttäuscht und seinen Arbeitgeber entsetzt: „Der Mitarbeiter des Jobcenters hat ihm mehr oder weniger vorgeschlagen, er solle bei mir kündigen. Denn als Hartz-IV-Empfänger bekäme er mehr Geld als jetzt“, ärgert sich Rathje über den Sachbearbeiter. „Als Grund führte der Jobcenter-Mitarbeiter an, dem jungen Mann stünde nun mal sonst nichts zu.“

* Und da ist noch der Lacher am Rande. Der Handwerkermeister ist völlig entsetzt und gibt zu Protokoll:
"Es kann nicht richtig sein, dass jemand, der ehrlich, ordentlich und fleißig einem Beruf nachgeht, nicht unterstützt wird."
Noch so einer, der sich von den Jubelmeldungen der Qualitätspresse blenden ließ und keine Ahnung davon hat, welche ruinösen Auswirkungen die Hartz-Gesetze in der Bevölkerung hinterlassen haben.
gastli
Zitat:
Logische Folge
Ines Wallrodt über hohe Abbrecherquoten in der Ausbildung

Eigentlich sind es beliebte, wenn nicht gar Traumberufe für Jugendliche: Koch, Friseur, Restaurantfachkraft. Deshalb beginnen sie der kargen Bezahlung zum Trotz eine Ausbildung. Friseure bekommen im ersten Lehrjahr zwischen 210 und 450 Euro pro Monat, die anderen genannten unwesentlich mehr. Wo es einen Tarifvertrag gibt, ist alles etwas besser. Aber wo ist das in der Gastronomie und im Friseurhandwerk schon der Fall?

Vielleicht würden Azubis die miserable Bezahlung sogar in Kauf nehmen, wenn der Job ansonsten Spaß macht. Doch der Spaßfaktor in Salons und Restaurants ist ähnlich niedrig wie die Vergütung. Da müssen sich Friseur-Azubis teure Scheren selbst kaufen, statt Locken zu legen, müssen sie den ganzen Tag fegen - die Dauerwelle können sie ja nach Ladenschluss üben. Und in der Gastronomie sind überlange Arbeitstage, abends und an den Wochenenden ohne Ausgleich schlechter Standard. Kein Wunder, dass jeder zweite Auszubildende hier die Flucht ergreift.

Der Rat von Älteren, doch auch mal die Zähne zusammenzubeißen, weist den falschen Weg. Schlechte Arbeitsbedingungen sind nicht zu erdulden, sondern zu verbessern. Denn am niedrigsten ist die Abbrecherquote in Berufen, wo Vergütung und Ausbildungsbedingungen stimmen. Den brüllenden Chef kann man nicht verbieten, doch der Gesetzgeber kann durchaus etwas beitragen. Die Mindestvergütung für Azubis ist ein Ansatzpunkt, die Stärkung der Tarifbindung ein weiterer. So lange sich hier nichts bewegt, hilft eben nur die Desertion.
[Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel...sche-folge.html]

Dem muss nichts hinzugefügt werden.
Nachtschicht
Zitat:
gastli hat am 07. August 2013 um 10:39 Uhr folgendes geschrieben:
Der Handwerkermeister ist völlig entsetzt und gibt zu Protokoll:
"Es kann nicht richtig sein, dass jemand, der ehrlich, ordentlich und fleißig einem Beruf nachgeht, nicht unterstützt wird."

Öhm. Mal eine Frage am Rande:
Wer verbietet dem Meister seinem Lehrling mehr Geld zu zahlen?