Wurde der Sozialismus verraten?

Pfiffikus
Zitat:
Herasun hat am 28. Juni 2008 um 00:00 Uhr folgendes geschrieben:

Ja, in den WGs, wo sie zu Tausenden und Abertausenden hausen mußten, weil es ja keinen entsprechenden Wohnraum für sie gab.

Wiederum überzeugst du mit Argumenten.
Klatschen Klatschen Klatschen




Zitat:
Herasun hat am 28. Juni 2008 um 00:00 Uhr folgendes geschrieben:

Mit dem Begriff der Ellenbogenmentalität verbinde ich auch eher solche Eigenschaften wie Rücksichtslosigkeit und Selbstsucht.

Und wenn du jetzt behauptest, dass es die vor zwanzig Jahren nicht gegeben hat, müssen wir in zwei verschiedenen Ländern gelebt haben.


Zitat:
Herasun hat am 28. Juni 2008 um 00:00 Uhr folgendes geschrieben:

Ist das jetzt Hohn, oder meinst du irgendwelche andere Menschen als die bedauernswerten Geschöpfe, die ich als Obdachlose kennengelernt habe?

Diese Erscheinung beobachte ich sehr wohl. In Gera nicht so offensichtlich wie in den Großstädten der alten Bundesländer.
Für mich ist es im Moment ein Rätsel, wieso diese Leute keinen Wohnraum finden. Leeren Wohnraum gibt es gerade hier in Gera zuhauf. Und die ARGEn müssten doch eigentlich den HartzIV-Empfängern auch Wohnraum finanzieren. Haben diese Leute zumutbare Arbeitsgelegenheiten abgelehnt? Haben diese Leute in der Vergangenheit Wohnraum über Gebühr abgewohnt, so dass sie keinen Vermieter mehr finden?
Warum müssen Menschen heute obdachlos sein?


Nein, derjenige, der sich hier verhöhnt fühlt, bin eher ich.

Zitat:
Fuchs Bernie hat am 28. Juni 2008 um 08:05 Uhr folgendes geschrieben:


Das enttäuscht mich jetzt aber. Ist es heute denn anders? Was ist mit den Jugendlichen die bei Mama (Hotel Mama) nicht ausziehen können weil sie Hartz IV-Empfänger sind? Die gabs ja bekanntlich in der DDR nicht.

Richtig. In der DDR gab es kein HartzIV und keine Empfänger desselben.
Aber ausziehen ging ebensowenig, da es weniger am Geld, sondern vielmehr an Wohnungen mangelte. Der Effekt war ähnlich.



Ich hatte das Studium erfolgreich absolviert und bekam eine Arbeitsstelle zugewiesen. 21km von Gera entfernt. Pendeln ging nicht. Ein Auto hatte ich nicht, einfach eins kaufen ging nicht und mit dem ÖPNV hätte sich ein Arbeitstag ergeben, der mich durchschnittlich mindestens zwölf Stunden täglich in Anspruch genommen hätte. Das Fahrrad kam nicht in Frage, da sich vor allem im Winter über diese Entfernung keine Zuverlässigkeit erreichen ließ.


Also Wohnungssuche. Das erste "Angebot" lehnte ich sogar unter DDR-Bedingungen ab-ein Zimmer, das nach dem Durchgang durch das Wohnzimmer einer älteren Dame zu betreten war.
Genommen habe ich ein Zimmer, welches über einer Arztpraxis gelegen war. Es hatte weder fließendes Wasser, noch eigene Toilette und Waschgelegenheit. Wasser holte ich im 5l-Kanister, um etwas kochen und abwaschen zu können. Zu beachten waren aber die Sprechzeiten der Arztpraxis. Der Wasserhahn, unter den der Kanister passte, befand sich in der Damentoilette der Arztpraxis. So hab ich lieber außerhalb der Sprechzeiten Wasser geholt. Auch das gesammelte Abwasser war wieder da runter zu bringen.
Für meine Notdurft standen mir beide Patiententoiletten zur Verfügung. Und man muss mich nicht für einen Perversling halten, wenn ich außerhalb der Sprechzeiten lieber die Damentoilette genutzt habe.


Nun, Bernie frage ich dich mal: Wäre eine solche Wohngelegenheit nach heutigen Maßstäben zumutbar, wenn die ARGE sagen würde, "Wir bezahlen Ihnen nur die 7,50M im Monat für dieses Zimmer"?




Die Jugendlichen von heute sind überwiegend gesund und können von eigener Arbeit eigenen Wohnraum finanzieren oder abwägen, ob Hotel Mama günstiger ist.
Und weil in den kommenden Jahren die Jahrgänge auf Lehrstellensuche gehen werden, die weniger zahlreich Anfang der Neunziger Jahre geboren worden sind, wird sich die Situation in Sachen Lehrstellensuche sehr entkrampfen.



Pfiffikus,
der anerkennt, dass auch künftig nicht alle Jugendlichen den Wunschtraumberuf erlernen können, sondern dass an dieser Stelle letztendlich Geld regulierend wirken muss
Pfiffikus
Zitat:
Fuchs Bernie hat am 28. Juni 2008 um 09:10 Uhr folgendes geschrieben:

Findest du das richtig wenn der Pförtner dir den Blinddarm raus holt?

Uff! In welcher Klinik ist das passiert?


Pfiffikus,
der die Kritik an dieser Erfurter Klinik versteht, wenn dort die Pförtner operieren müssen
Mercedes
Ergebnis der Umfrage bisher...

Weiß nicht, ist mir auch egal : 48.72%
Nein, er ist nicht existenzfähig: 30,77%
Ja, er wurde verraten: 20.51%


Zusammenfassung:
20.51% der Leute glauben an die Verrätertheorie und dem "Rest" (79,49% der User) ist es egal oder meinen er ist sowiso nicht existenzfähig.

Somit wäre doch alles geklärt - Der Sozialismus wurde nicht verraten Augenzwinkern
Adeodatus
@ Danu

Um noch einmal auf Deine Ausführungen zurückzukommen, gehe ich einmal davon aus das Du noch vor 1970 geboren wurdest denn vor dieser Zeit war es im Osten und Westen üblich das der Mutter kein Babyjahr zur Frühkindlichen Erziehung gegeben wurde. (Wobei zu bemerken war das die BRD dieses Prinzip von der DDR übernommen hatte). Es gab in D-Land auch Zeiten in denen weder Mutter noch Kind in irgendeiner Weise geschützt wurden die Magd eines Bauern bekam faktisch im Kaiserreich ihr Kind in der Ackerfurche und hat nach dieser gleich weiter gearbeitet. Man kann zwar daran festmachen wie sozial oder unsozial eine Zeit der Geschichte war, aber es war entsprechend den Verhältnissen in dieser Zeit normal. Also auch das ein Kind nach einer sechs Wochen Frist in eine Kindereinrichtung kam war damals normal.

@ Pfiffikus

Im größten Teil Deiner Ausführungen kann ich Dir zustimmen aber "Ellenbogengesellschaft" in der DDR nun wirklich nicht. es war eher eine Gesellschaft der "Weichtiere" aus dem Stamm der Mollusca zu denen die Schnecken zu rechnen sind. Ich selbst habe mir oft gewünscht das solche Lebewesen die den Leitenden (die übrigens nicht nur aus SED Kadern bestand sondern auch sehr oft aus den Blockflöten) in den Allerwertesten gekrochen sind auf der Schleimspur die sie hinterlassen ausrutschen und sich den Hals brechen. Aber leider war das Leben eben so, das zwischen Wunsch und Realität ein gehöriger Unterschied lag.

Was das Wohnungsproblem zu DDR Zeiten anbelangt gab es dieses auch in der BRD und es gibt dieses auch heute noch, gut in Gera kann man nicht mehr von einem Wohnungsproblem reden das sich auf Wohnungsknappheit bezieht, nein es gibt genug, aber zu welchem Preis. Wohnungen in Gera die heute vermietet werden sind Meilenweit vom Standard in den alten Ländern entfernt, nur wenige (etwa 15% des Bestandes) entsprechen tatsächlich dem hohen Niveau vergleichbarer in den Alten Bundesländern eines haben sie in vielen Fällen aber trotzdem gemeinsam nämlich den Preis. Das Schlimme an der Situation in Gera ist heute das es Wohnraum in Mengen gibt ich Schätze einmal grob das hier in Gera (trotz des Abrisses) 10 000 Lehrstehende WE. gibt, aber keine Arbeit in ausreichenden Maß, ergo befinden wir uns nun trotz Überfluss in einer „Mangelwirtschaft“.
Meister
Also Pfiffikus so ganz am Rande, Ich bin ausgezogen in der DDR-Zeit habe auch gebaut wenn auch mit großen Mühen und hatte auch nur ein Konto auf der Parkbank.
Allerdings glaube ich kaum, das ich auch heute selbst ohne Materialmangel noch bauen könnte.
Wer keine linken Hände hatte und nicht das Geld für Autos ausgegeben hat bzw. die Prämissen auf Urlaub gelegt hat, der hat es auch geschafft.
Wer heute bauen will der benötigt dazu schon ein saftiges Konto.

Und eines möchte ich noch hinzufügen, die Kredite waren auch bezahlbar und wurden auch nicht weiter verhökert wen man einmal in Schwierigkeiten kam.


Meister
osslowsky
wenn man die beiträge diverser diskutanten in diesem forum liest kann man den eindruck gewinnen, daß hartz IV das hauptübel in unserer gesellschaft zu sein scheint. man gewinnt den eindruck, daß irgendwie jedermann hartz IV empfänger ist und jede lebenssituation wird damit in verbindung gebracht. dem ist nicht so liebe mitglieder der "arbeitslosenfront". auch in dieser der kapitalistischen gesellschaft gibt es sie, die menschen die ihren lebensunterhalt durch "ihrer hände arbeit" verdienen und die große mehrheit der arbeitsfähigen menschen tut dies auch. allerdings haben die nicht so viel zeit, diese den ganzen tag am pc zu verbringen und nur um des schreibens willen frei nach dem motto "masse statt klasse" in ihren inhaltslosen beiträgen geistigen schrott zu verbreiten.
Bernhard P.
Zitat:

Zitat:
wenn man die beiträge diverser diskutanten in diesem forum liest kann man den eindruck gewinnen, daß hartz IV das hauptübel in unserer gesellschaft zu sein scheint.


Im Prinzip stimmt das ja auch. Wobei es allerdings noch viel mehr Übel gibt.


Zitat:

Zitat:
auch in dieser der kapitalistischen gesellschaft gibt es sie, die menschen die ihren lebensunterhalt durch "ihrer hände arbeit" verdienen


Hat leider nur einen klitzekleinen "Schönheitsfehler" das ganze. Diejenigen die das tatsächlich noch dürfen, müssen werden leider, auch aufgrund zunehmender Technisierung, immer weniger. Und der Rest, was ist mit dem?

Es soll übrigens auch Leute geben die ständig behaupten einige verbringen den ganzen Tag am PC und tun dies selbst obwohl sie immer betonen das sie Arbeit haben.

Aber zurück zum eigentlichem Thema:
Es ist sicher schwer zwei völlig unterschiedliche Gesellschaften ganz fair miteinander zu vergleichen. Es gab im Sozialismus ein Wohnungsproblem und es gibt eins im Kapitalismus, denn vorhandene Wohnungen die viele Menschen nicht bezahlen können nutzen auch keinem was.

Fakt ist, die sorgenfreie Gesellschaft hatten wir noch nicht und haben sie jetzt erst recht nicht.
Meister
Also werter Herr Osslowosky!

Hartz IV ist sicher nicht das Hauptübel.
Aber Übel werden kann es einem doch, so behaupten Millionen Menschen.

Wenn du aber der Ansicht bist, es ist egal von was es uns schlecht wird, hättest du natürlich recht.

Meister
osslowsky
Zitat:
Fuchs Bernie hat am 28. Juni 2008 um 16:10 Uhr folgendes geschrieben:
Zitat:

[QUOTE]auch in dieser der kapitalistischen gesellschaft gibt es sie, die menschen die ihren lebensunterhalt durch "ihrer hände arbeit" verdienen


Hat leider nur einen klitzekleinen "Schönheitsfehler" das ganze. Diejenigen die das tatsächlich noch dürfen, müssen werden leider, auch aufgrund zunehmender Technisierung, immer weniger. Und der Rest, was ist mit dem?

und schon wieder wird der versuch gestartet, die arbeitenden zur minderheit zu machen. ich hab fast den eindruck , du kennst gar keine leute mehr die ne arbeit haben. die meisten menschen arbeiten. versuchs dir doch mal zu merken.

Es soll übrigens auch Leute geben die ständig behaupten einige verbringen den ganzen Tag am PC und tun dies selbst obwohl sie immer betonen das sie Arbeit haben.

wenn sie einen großteil ihrer arbeit am pc erledigen und selbstständig tätig sind, können diese auch ab und zu ein "forumpäuschen" einlegen.
Bernhard P.
Zitat Meister:

Zitat:
Also werter Herr Osslowosky!

Hartz IV ist sicher nicht das Hauptübel.
Aber Übel werden kann es einem doch, so behaupten Millionen Menschen.

Wenn du aber der Ansicht bist, es ist egal von was es uns schlecht wird, hättest du natürlich recht.

Meister


Schön, der schwarze englische Humor. Nur kapieren es dann einige trotzdem noch nicht.

Ja wo soll man eigentlich anfangen die ganzen Übel im Kapitalismus aufzuzählen? So gesehen ist Hartz IV nur ein Teil der Übel. Es gibt weitaus mehr und da ist es auch so ziemlich egal ob man Arbeit hat oder nicht denn die ganzen Teuerungen bekommen ja alle zu spüren. Nur den einen triffts halt härter, aufgrund des schmaleren Geldbeutels als denjenigen der das Privileg besitzt arbeiten zu dürfen in diesem wunderschönen System.
osslowsky
Zitat:
Fuchs Bernie hat am 28. Juni 2008 um 16:49 Uhr folgendes geschrieben:

Nur den einen triffts halt härter, aufgrund des schmaleren Geldbeutels als denjenigen der das Privileg besitzt arbeiten zu dürfen in diesem wunderschönen System.


ich kann mich des eindruck´s nicht erwehren, daß es einige doch eher als privileg empfinden, nicht arbeiten zu müssen.
Adeodatus
Zitat:
osslowsky hat am 28. Juni 2008 um 15:46 Uhr folgendes geschrieben:

wenn man die beiträge diverser diskutanten in diesem forum liest kann man den eindruck gewinnen, daß hartz IV das hauptübel in unserer gesellschaft zu sein scheint. man gewinnt den eindruck, daß irgendwie jedermann hartz IV empfänger ist und jede lebenssituation wird damit in verbindung gebracht. dem ist nicht so liebe mitglieder der "arbeitslosenfront". auch in dieser der kapitalistischen gesellschaft gibt es sie, die menschen die ihren lebensunterhalt durch "ihrer hände arbeit" verdienen und die große mehrheit der arbeitsfähigen menschen tut dies auch. allerdings haben die nicht so viel zeit, diese den ganzen tag am pc zu verbringen und nur um des schreibens willen frei nach dem motto "masse statt klasse" in ihren inhaltslosen beiträgen geistigen schrott zu verbreiten.


Was sollen solche Verallgemeinerungen?
Bernhard P.
Um mal wieder aufs eigentliche Thema zu kommen habe ich einen interessanten Link gefunden:

http://www.linke-bueros.de/verraten-sech...l_3671,543.html

Man sollte es vielleicht mal aufmerksam lesen.
Simson
Pfiffikus hat in seinem Beitrag sehr sachlich ein Stückchen Alltag aus der DDR berichtet.

Und da gäbe es wohl noch jede Menge zu erinnern und zu schreiben.

Wer damals durch bestimmte Privilegien oder Vorteile verschiedenen Alltagsproblemen nicht ausgesetzt war und in sich einer Position oder Situation befand, in der er sich wohlfühlte, wird sich möglicherweise danach zurücksehnen. Für mich trifft das jedenfalls nicht zu. Aber ich bin froh, daß ich diese Zeit kennengelernt habe, sonst würde mir ein großes Stück Lebenserfahrung fehlen.

Die Eigenschaft "Egoismus" von Menschen wurde in der DDR gezielt gesucht und genutzt. Man versuchte Menschen mit bestimmten Vorteilen gegenüber der Normalbevölkerung zu locken, z.B. in die SED, zu einem längeren Wehrdienst, in die GST, zur Staatssicherheit, zur Wismut. Oder man drohte Menschen auch mit Nachteilen, wenn sie ein gewünschtes Verhalten nicht zeigten. Und ein nicht geringer Teil der Menschen ist solchen Verlockungen auch unterlegen oder hat sich drohenden Nachteilen nicht ausgesetzt. Sie haben sich aus ihrer persönlichen Sicht rational verhalten. Und das wurde vom Staat gezielt genutzt. So etwas möchte ich jedenfalls nicht wiederhaben.
Bernhard P.
Die Erfahrungen die der Einzelne mit der DDR gemacht hat sind wohl sehr unterschiedlich. Das entnehme ich jedenfalls aus den einzelnen Beiträgen. Vielleicht sehe ich es auch ein bischen anders weil ich selbst nie Westgeld besessen habe. Ich habe in der DDR eine anstänige Lehre zum Funkmechaniker gemacht und eine gute Schulbildung erworben. Mit dem System habe ich mich nicht angelegt. Westverwandschaft hatten wir zwar auch aber zu keinem Kontakte. Repressalien, über die einige berichten, hatte ich nicht auszustehen. Aber ich hatte eins, einen sicheren Arbeitsplatz der mit der Wende leider flöten war und das hat von Anfang an einen Groll gegen das kapitalistische System in mir erzeugt.

Was ein gewisser Herr hier über mich behauptet entbehrt jeglicher Grundlage zumal mir diese Person persönlich noch nicht einmal bekannt ist. Soviel zur Aufklärung für die anderen.
Simson
Ich verstehe Dich ja, Fuchs Bernie, und kann das alles ganz gut nachempfinden.

Du warst offenbar ein Bürger, wie ihn sich die DDR gewünscht hat und der sich auch recht wohl in der DDR gefühlt hat. Du warst eine sozialistische Persönlichkeit.
Herasun
Zitat:
Simson hat am 28. Juni 2008 um 18:45 Uhr folgendes geschrieben:

Pfiffikus hat in seinem Beitrag sehr sachlich ein Stückchen Alltag aus der DDR berichtet.

Und da gäbe es wohl noch jede Menge zu erinnern und zu schreiben.

Die Eigenschaft "Egoismus" von Menschen wurde in der DDR gezielt gesucht und genutzt. Man versuchte Menschen mit bestimmten Vorteilen gegenüber der Normalbevölkerung zu locken, z.B. in die SED, zu einem längeren Wehrdienst, in die GST, zur Staatssicherheit, zur Wismut.


Wer sich zur Wismut "locken" ließ, hatte mit Sicherheit im Auge, mehr zu verdienen als der Durchschnittsbürger im Osten. Soweit gebe ich dir Recht.
Ein halbwegs gebildeter Mensch wußte aber auch, warum er dort besser entlohnt wurde als anderswo. Auch zu DDR-Zeiten konnte nicht geheimgehalten werden, daß mit einer Tätigkeit, insbesondere unter Tage oder in der Erzaufbereitung, ein erhöhtes gesundheitliches Risiko verbunden war.
Nun erzähl mir bitte, wieviele Menschen du kennst, die heute nicht für viel Geld annähernd gleiche Risiken auf sich nehmen würden? Und füge bitte hinzu, welche Vorteile ein Wismut-Kumpel-außer finanziellen-noch hatte.
Simson
Ich fang mal mit dem letzten Teil Deiner Frage an:

* Sonderversorgung unter anderem mit PKW, Südfrüchten und anderen Dingen
* akzisefreier Schnaps (sogenannter "Wismutfusel")
* "Wismutküche"
* eigene und bessere, der Normalbevölkerung im Allgemeinen nicht zugängliche Gesundheitseinrichtungen
* eigene und bessere, der Normalbevölkerung im Allgemeinen nicht zugängliche Ferieneinrichtungen

Möglicherweise gab es noch mehr, was ich nicht kenne oder was mir momentan nicht einfällt.

Im Rahmen meiner damaligen sportlichen Tätigkeit hatte ich Kontakt mit einigen jungen Menschen, die mit 16 oder 17 Jahren eine Lehre bei der Wismut begannen. Sie waren in der Regel von den Vorteilen, bei der Wismut zu sein, begeistert und sich der gesundheitlichen Konsequenzen einer solchen Tätigkeit kaum bewußt. Das zum Zeitpunkt der Berufswahl noch nicht ausgereifte Urteilsvermögen junger Menschen wurde gezielt ausgenutzt, um sie für eine solche Tätigkeit zu gewinnen.

Über die Risiken einer Tätigkeit bei der sowjetisch-deutschen Aktiengesellschaft Wismut ist mir keine Veröffentlichung aus DDR-Zeiten bekannt. Und eine freie Presse, die darüber hätte schreiben können, auch nicht.
Herasun
Zitat:
Pfiffikus hat am 28. Juni 2008 um 12:56 Uhr folgendes geschrieben:

Wiederum überzeugst du mit Argumenten.
Klatschen Klatschen Klatschen


Ich wollte dir halt in nichts nachstehen. Ja Ja


Zitat:
Pfiffikus hat am 28. Juni 2008 um 12:56 Uhr folgendes geschrieben:
Und wenn du jetzt behauptest, dass es die vor zwanzig Jahren nicht gegeben hat, müssen wir in zwei verschiedenen Ländern gelebt haben.


Das behaupte ich jetzt nicht und hätte es auch vorher nicht getan.
Diese Eigenschaften trägt man wohl in sich.
Wenn aber Ellenbogenmentalität zum Überleben notwendig wird, ist Menschlichkeit nicht mehr gefragt.

Zitat:
Pfiffikus hat am 28. Juni 2008 um 12:56 Uhr folgendes geschrieben:
Nein, derjenige, der sich hier verhöhnt fühlt, bin eher ich.


So? Und warum?
Herasun
Zitat:
Simson hat am 28. Juni 2008 um 22:30 Uhr folgendes geschrieben:

Ich fang mal mit dem letzten Teil Deiner Frage an:

* Sonderversorgung unter anderem mit PKW, Südfrüchten und anderen Dingen
* akzisefreier Schnaps (sogenannter "Wismutfusel")
* "Wismutküche"


Da möchte ich gleich mal mit dem ersten Teil deiner Frage beginnen.
Wie du dir sicher denken kannst, bin ich in der Situation, ein wenig mitreden zu können:
Mein Ehemann war ein Kumpel unter Tage, allerdings kein Hauer, und ebensowenig ein "Genosse".
-Er erhielt ca. 1,5 l akzisefreien Trinkbranntwein /Monat, den wir größtenteils-in Ermangelung von frei konvertierbarer Währung- für den Um- und Ausbau unseres kleinen Häuschens nutzten.(Du weißt bestimmt, wovon ich rede!!) Daß dieser Schnaps akzisefrei war, ist nichts weiter als der finanzielle Vorteil, von dem ich bereits sprach.

-Wir hatten auch eine Anmeldung für einen PKW. Unseren finanziellen Gegebenheiten entsprechend sollte es ein"Trabi"werden. Wurde es nie , weil unsere Anmeldung, die seit 1977 lief, niemals zum Tragen kam.

-Südfrüchte konnte eher ich besorgen als mein Mann, weil ich einen Chef hatte (übrigens war der Mitglied in der SED), der uns während der Arbeitszeit die Möglichkeit einräumte, die kurzen Spannen zwischen Liefer- und Ausverkaufszeiten bei OGS zu nutzen.

-Was du nun mit Wismut - Küche sagen willst, weiß ich nicht.
Eine Betriebskantine, in der auch ich für wenig Geld eine Mittagsmahlzeit bekam, gab es auch für mich.


Zitat:
Simson hat am 28. Juni 2008 um 22:30 Uhr folgendes geschrieben:
Möglicherweise gab es noch mehr, was ich nicht kenne oder was mir momentan nicht einfällt.


Ich helfe dir.
Es gab kostenlose Milch. Tagtäglich 1/4l Milch.
Die Kumpel waren dumm.
Aber sie waren nicht so dumm, um nicht zu wissen, daß z.B. diese Milch deshalb kostenlos war, weil sie eine gesundheitsgefährdende Tätigkeit ausübten.
Selbst, wenn es keine dir bekannten Veröffentlichungen darüber geben sollte!