Der Roßplatz, Teil 1/2

Archivar
Wie die Heinrichstraße, hat auch der Roßplatz eine wechselvolle Geschichte.
Bis ins 15.Jahrhundert hinein war er völlig unbebaut und Teil des "Angers", zu dem der Brühl und die Heinrichstraße gehörten.
Der Anger wurde als Weideplatz für das Stadtvieh genutzt.

Seinen Namen erhilet der Roßplatz 1811. In dem Jahr wurde zum ersten Male der Roßmarkt abgehalten und so entstand die Bezeichnung.
Ab 1846 verlegte der Topfmarkt ebenfalls nach dort. Ab 1858 wurde dann auch der Schweinemarkt dort abgehalten, ebenso wie seit 1853 der Wollmarkt.

Am 13.5.1937 erfolgte die Umbenennung in "Platz der SA" und am 3.5.1945 die Rückbenennung in "Roßplatz".
Am 14.10.1949 wurde er in den noch heute aktuellen "Platz der Republik" umbenannt.



Das erste Bild zeigt den Roßplatz und die nähere Umgebung aus der Fliegersicht und bietet einen guten Orientierungsrahmen.
Wenn auch die allermeisten Gebäude längst nicht mehr stehen, so kann man sich doch durch das am rechten Bildrand mittig zu sehende Stadtmuseum recht gut orientieren.



Hier zu sehen ist das Gasthaus zum Regenbogen in der Hausnummer 22. Es wurde, wie viele andere Gebäude auch, ein Opfer der Bomben.
Die Älteren können sich bestimmt an das Wartehäuschen der Straßenbahn erinnern, was hier links angeschnitten sichtbar ist.



Das Hotel Kronprinz befand sich im Gebäude Roßplatz Nr. 1. Im rechts zu sehenden Anbau befand sich ab 1919/1920 die jüdische Synagoge, die in der "Reichskristallnacht" am 9.11.1938 zerstört wurde.



Obwohl zum Roßplatzgäßchen (Nr.14) gehörend, prägte diese bekannte Gaststätte unter wechselnden Namen über Jahrzehnte das Gesicht des Platzes.
Um 1900 wurde sie unter dem Namen "Cafè Hohenzollern" geführt.
Man beachte einfach nur die Außenansicht, die nahezu unverändert blieb.



Etwas später firmierte sie unter dem Namen "Weinrestaurant zum Rüdesheimer".
Der Besitzer betrieb zu den Schützenfesten dort ein Weinzelt.



Schließlich trug sie bis zum Abbruch im Zuge der Neugestaltung des Areals in den 1950er Jahren den Namen "Kaffee Vaterland", im Volksmund auch "Kaffee Hemde hoch" genannt.
Der Name Vaterland wurde nicht aus patriotischen Gründen gewählt, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern nach seinem Besitzer Max Vater.



Unmittelbar an das Kaffee Vaterland grenzte das Hotel goldene Sonne. Das Hotel besaß einen Eingang an der Heinrichstraße und einen am Roßplatz. Das Hotel ist älter als der Roßplatz. Bis zur Verlegung auf den Roßplatz im Jahre 1807 hatte es seinen Standort unter dem Namen "Gasthof zur Sonne" am Markt

.


Beim schweren Bombenangriff am 6.4.1945 erhielt das Hotel Treffer, die es nahezu vollständig zerstörten.



Direkt an der Ecke zur Schülerstraße befand sich die Haus- und Grundbesitzbank.



Auch die Bank wurde, zusammen mit weiteren Häusern in der nahen Umgebung, beim Bombenangriff zerstört.


Ich hoffe, der Beitrag ist wieder auf euer Interesse gestoßen.
Fortsetzung folgt.

Quelle: Die Straßennamen der Stadt Gera von Siegfried Mues; eigenes Archiv
Michi
Ich finde die Luftaufnahme besonders interessant. Top
Rechts unten ist sehr schön der noch offene Mühlgraben zu sehen. Leider nur in geringer Auflösung, so das eine Vergrößerung nicht möglich ist.
Erfurter
Hallo Archivar. Deine Serien sind sehr interessant. Auch für Außenstehende. Top
Archivar
Danke. Wenn es ankommt, mache ich gern weiter. Material hätte ich noch.
Schönen Sonntag!
Markus
Zitat:
Archivar hat am 27. März 2021 um 17:39 Uhr folgendes geschrieben:

...Die Älteren können sich bestimmt an das Wartehäuschen der Straßenbahn erinnern, was hier links angeschnitten sichtbar ist.


Stand das Wartehäuschen ungefähr an der Stelle des heutigen kleinen Gleisdreiecks?
Dort wo ich meinen Markierung platziert habe? Oder liege ich jetzt total falsch?

Archivar


Hier kannst du es besser einordnen. Das Häuschen befindet sich zwischen den beiden im Hintergrund einbiegenden Straßenbahnen.
Im ersten unzerstörten Haus (von links gesehen) befand sich damals und bis vor wenigen Jahren der "Salon Fischmann", ein Fußpflegesalon, betrieben von Frau Gabriele Hartmann.
Das Haus sieht heute noch so aus, daher hat man einen hohen Wiedererkennungseffekt.
Die Bahnen kamen einmal von derhinteren Heinrichstraße kommend (hier die rechte Bahn), hielten an dem Häuschen, und fuhren weiter in Richtung des Betrachters, bogen dann nach rechts (aus der Bildperspektive links) ab und fuhren weiter Richtung Museum.
Die Bahn hinten links kam aus Richtung Reichsstraße durch die Schülerstraße.
So war es lange Zeit geregelt, und erst mit der Neubebauung der vorderen Heinrichstraße und des Roßplatzes führte die Linie ohne diesen Schwenk gerade durch die gesamte Heinrichstraße.
Markus
Vielen Dank Archivar. Jetzt kann ich das Foto richtig einnorden. smile
Nachtschicht
Ordentlicher Straßenbau war schon damals wichtig. Die Dampfwalze auf dem 7. Foto ist der Beweis Top
Archivar
Nur heute scheint das anders zu sein.
birke
Hallo Archivar,ich finde die alten Fotos Spitze. Luftbilder sowieso. Habe mal welche verkauft, als man hier keine Ingenieure mehr brauchte. Heute hat man auch die tolle Möglichkeit, die alten Bilder mit den Aufnahmen von BingMaps zu vergleichen. Geht leider nur für Städte. Hast Du für die Rossplatzaufnahme auch die Jahreszahl?
Vor längerer Zeit frug ich nach einer Außenaufnahme vom Palmengarten - leider vergebens. Hat diesbezüglich jemand inzwischen etwas zu bieten?
Archivar
Hallo Birke,
die Luftaufnahme vom Roßplatz ist nicht datiert, aber im Jahr 1932 beschrieben worden. Viel älter ist sie auch nicht, die Luftaufnahmen kamen erst um 1929 auf.
Ich hab gerade mal nachgesehen und eine zweite Luftaufnahme vom Roßplatz und Heinrichstraße gefunden. Die ist aus entgegengesetzter Richtung aufgenommen und qualitativ deutlich besser.
Ich werde die im zweiten Teil mit hier einbringen.
Eigentlich sind Luftaufnahmen von Gera, obwohl es nicht sehr viele gibt, auch mal ein Thema für diese Rubrik.
Insofern nehme ich deine Anfrage gern mal als Anregung dafür.

Zum Palmengarten: ich gehe davon aus, dass du den aus dem Bereich Zschochernstraße/Ziegelberg meinst.
Da habe ich auch noch nie eine Außenansicht gesehen und ich glaube, es wird da auch keine geben.
Der Palmengarten lag zwischen den Fronthäusern der beiden o.g. Straßen und eine Aufnahme von außen eigentlich kaum möglich.
Vom Zschochern aus ging es durch eine Haustür hoch in den ersten Stock, wo die Russen, die den Palmengarten als Offizierskasino nutzten, eine kleine und für jeden zugängliche Kneipe betrieben. Ich war auch gelegentlich dort, das Essen war super. Von dort aus kam man durch Gänge in den eigentlichen Bereich des Palmengartens. Das Gesamtbild war toll, Gänge mit herrlichen Geländern und Jugendstilverzierungen; sehr großräumig und hat noch damals den Charme vergangener Jahrzehnte geatmet.

Der Eingang vom Ziegelberg war den russischen Offizieren vorbehalten.
Auf nachstehendem Bild ahnt man den Eingang. Er befand sich kurz vor dem Übergang der Laasener Straße zum Ziegelberg, dort, wo die kleine Mauer und die Büsche zu sehen sind.

birke
Auf den 2. Teil Roßplatz freue ich mich schon. Ich war beim 1. Teil sehr verblüfft, wie sich Gera verändert hat. Es ist wahrscheinlich für mich noch erstaunlicher, da ich erst 1963 nach Gera kam.
Archivar
Was heißt "erst"? Das sind ja nun auch schon wieder 58 Jahre und somit hast du ja persönlich auch viele Veränderungen gerade im Stadtzentrum miterlebt.
Archivar
Hallo Birke,
nun hab ich doch noch eine Außenansicht des Palmengartens gefunden, auch wenn sie nicht besonders aussagekräftig ist.
Das Bild zeigt Verwundete im Jahre 1916 im Garten des Palmengartens, der zu jener Zeit als Hilfslazarett genutzt wurde.

Entspannte Ostern,
Archivar

birke
Hallo Archivar,
na immerhin etwas. Mit etwas Phantasie kann man sich denken, wie der Rest aussah.
Gab eben noch kein BingMaps.
Ich kam zwar ab 1963 ab und zu nach Gera, aber zog erst 1969 im Hochhaus am Bahnhof ein. Verdiente hier auf Anhieb 200 Mark mehr. In der Zeit von `63 bis `69 kam ich aber kaum ins Zentrum, so daß ich das dortige Baugeschehen weitgehend verpasste.
Archivar
Aber zumindest den Rundkonsum kanntest du noch.
Michi
Zitat:
Archivar hat am 28. März 2021 um 16:58 Uhr folgendes geschrieben:
Hier kannst du es besser einordnen. Das Häuschen befindet sich zwischen den beiden im Hintergrund einbiegenden Straßenbahnen.


Hier noch eine Aufnahme des Wartehäuschens aus einer anderen Perspektive.