Die vordere Heinrichstraße, Teil 2/2

Archivar
Gerade die Heinrichstraße, im Stadtzentrum liegend, war stark durch Handel und Dienstleistungen geprägt.
Faktisch in jedem Haus war ein Geschäft, eine Gaststätte oder ein Dienstleistungsbetrieb ansässig.

Bei dem schwersten Bombenangriff der Amerikaner auf Gera, am Freitag, 6.April 1945 warfen 119 B17-Bomber, auch "Fliegende Festungen" genannt, in den Vormittagsstunden Spreng- und Brandbomben auf die Stadt. Ca. 1.000 Wohnungen wurden zerstört, 8.000 Geraer obdachlos und 160 Menschen mussten diesen Angriff mit ihrem Leben bezahlen.

Stark betroffen war gerade auch die Heinrichstrße. Im vorderen Teil wurden fast alle Gebäude zerstört bzw. beschädigt.

Im folgenden sollen einige Bilder diese Zerstörungen dokumentieren.



Hier noch intakt die Gebäude auf der nördlichen Seite. Man erkennt deutlich einen Umzugswagen der Möbelspedition Franz Rothe & Söhne, vielen sicher noch bekannt. Ein Spruch der Beschäftigten lautete "Wir sind die Packer von Rothe & Söhne, große Arbeit, kleine Löhne".



Hier zu sehen in etwas der gleiche Bereich mit den Schäden durch den Angriff am 6.4.45



Blick vom Museum aus in die Heinrichstraße. Rechts erkennen wir die Buchbinderei Harnisch in der Nummer 6.



Nahezu identischer Blick nach dem Angriff.



Die bereits in Teil 1 erwähnte Schankwirtschaft Klotz (Grobe Hulda) in der Nummer 33.



Knapp links von der Bildmitte sehen wir die Fassade dieses Gebäudes, alles andere nebst Nachbargebäuden lag in Schutt und Asche.



Auf diesem etwas späten Foto erkennen wir links das Tabak- und Zigarrenhaus von Romstedts Erben. Rechts hinter dem Museum befand sich die Zweigstelle der Dresdner Bank, den Tuchwaren-Grossisten Albin Metzner und die private Handelslehranstalt. Im Gebäude links daneben, hier nicht sichtbar, befand sich das allgemein bekannte Geschäft von "Fahrrad-Scheibe".



Auch das Museum wurde schwer beschädigt. Die oberen Etagen brannten vollständig aus, es gingen einmalge und wertvolle Sammlungen verloren, so z.B.eine reussische Münzsammlung.
Auf diesem Bild vom Mai 1949 wirbt die SED anlässlich einer Wahl für ihre Liste 1 und fordert oder verspricht Frieden, Freiheit, Aufbau und Ordnung.



Abrunden möchte ich das Thema mit einigen Geschäftsansichten. Dieses Bild zeigt die Lederwarenhandlung von Franz Oertel & Sohn in der Nummer 10. Im Schaufenster wirbt er für seine Lederwaren als passendes Ostergeschenk. Man beachte bitte das über dem Geschäft befindliche Aushängeschild in Form eines großen Koffers.



In der Nummer 29 befand sich die Bäckerei von Ernst Dix.



In Nummer 13 befand sich die 1874 gegründete Kaffee-Rösterei von Richard Beer.



Zum Abschluss noch ein Bild der Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung von Wilhelm Schotte, der auch eine Leihbibliothek betrieb.


Damit möchte ich den Bereich der vorderen Heinrichstraße abschließen.
Wenn Lust auf mehr vorhanden ist, würde ich in einer nächsten Folge auf den Roßplatz eingehen.
Pfiffikus
Geniale Fotos.

Auf dem letzten Bild sieht man sehr schön, wo damals der Mühlgraben floss. Aber auf dem 6. Bild vermisse ich diese Brücke. Oder sieht man im Hintergrund die Trinitatiskirche?



Pfiffikus,
der sich herzlich bedankt
Archivar
Das sechste Bild entstand aus einer Position, bei der der Fotograf bereits den Mühlgraben im Rücken hatte. Auf dem Standort der "Groben Hulda" finden wir heute das "H26". Oder 28?
Pfiffikus
Du nennst hier gerade Hausnummern. Also zeigt das Foto die zerbombte Nordseite? Und der Bus kommt aus der Bachgasse? Irgendwie passt das noch nicht in mein Vorstellungsvermögen.



Pfiffikus,
der das H35 mit seiner ungeraden Nummer auf der Südseite der Heinrichstraße vorfindet
Archivar
Ja klar H35. Ich habe das mit dem H26 in der gagrinstraße verwechselt.
Der Blick geht hier zur Südseite.
Jetzt passt es, oder?
Pfiffikus
Zitat:
Archivar hat am 20. März 2021 um 17:31 Uhr folgendes geschrieben:
Ja klar H35. Ich habe das mit dem H26 in der gagrinstraße verwechselt.
Aha, das wird die nächste Bilderserie? Wir freuen uns schon!

Zitat:
Archivar hat am 20. März 2021 um 17:31 Uhr folgendes geschrieben:
Der Blick geht hier zur Südseite.
Na gut. Wie das dort aussah, davon habe ich noch weniger Vorstellungen. Manchmal sieht man Bilder, da fuhr die Straßenbahn noch einen Schlenker in die Schülerstraße. Auf den Bildern, die Du uns in dieser Woche gezeigt hast, fährt sie gerade durch wie heute. Bin ganz durcheinander.
Der Kirchturm ist dann offenbar die Trinitatiskirche?


Pfiffikus,
der jetzt nur noch über diese Häuser grübelt, die zwischen Kirche und Bus zu sehen sind
Archivar
Lieber Pfiffikus,
die Gagarinstraße wird mit Sicherheit nicht die nächste Bilderserie, dort gab es damals so gut wie nichts.

Zu deiner Frage:
Ich habe mal einen Ausschnitt aus dem Pharus-Plan der 1930er Jahre angehängt.
Dort kannst du den Verlauf der Heinrichstraße sehr gut nachvollziehen, zumal die Straßenbahnlinie rot eingezeichnet ist.
Die Bahn passiert, durch die Johannisgasse kommend, das Museum (hier mit Haussymbol eingezeichnet) und durchfährt die Heinrichstraße. Sie passiert die Färbergasse und das Roßplatzgäßchen.
Und wenn du auf dem Plan nach rechts schaust, siehst du den Platz der SA (Roßplatz). Dort gabelt sich die Strecke, durch die Schülerstraße geht es Richtung Reichsstraße, geradeaus Richtung Wiesestraße.
Bei der Gabelung erkennst du einen großen Wohnblock, neben dem es in die Kleine Heinrichstraße geht in Richtung Heinrichplatz.
Und dieser große Wohnblock wurde ebenfalls zerstört, was in dem von dir angesprochenen Bild sichtbar ist.

Michi
Zitat:
Archivar hat am 20. März 2021 um 15:29 Uhr folgendes geschrieben:
Zum Abschluss noch ein Bild der Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung von Wilhelm Schotte, der auch eine Leihbibliothek betrieb.

Ich finde diese kleine Gruppe Soldaten auf der letzten Karte einfach nur goldig.
Danke für für die schönen Bilder

Zitat:
Archivar hat am 20. März 2021 um 15:29 Uhr folgendes geschrieben:
Wenn Lust auf mehr vorhanden ist, würde ich in einer nächsten Folge auf den Roßplatz eingehen.


Natürlich ist Lust auf mehr. Was sind denn das für Fragen? Augenzwinkern
Nachtschicht
Zitat:
Archivar hat am 20. März 2021 um 15:29 Uhr folgendes geschrieben:
Damit möchte ich den Bereich der vorderen Heinrichstraße abschließen.


Hast du nicht vor über die Jahre nach dem II WK. über die Umgestaltung der Straße zu berichten?
Reverenzpunkt scheint das Museum zu sein. Alle anderen Gebäde mussten weichen.
Ostthüringer
Mich würde mich noch für Bilder vom offenen Mühlgraben (einschließlich der Bauarbeiten der Verrohrung) in der Stadtmitte interessieren.
Archivar
Nicht zu allen Veränderungen gibt es Fotos bzw. besitze ich solche.
Gerade die Verrohrung des Mühlgrabens wurde wohl nicht im Bild festgehalten.
Beim geplanten nächsten Thema, dem Roßplatz, stelle ich gern auch Fotos hier ein, die aus den frühen Nachkriegsjahren stammen.
Man kann das nicht immer klar abgrenzen (Heinrichstraße/Roßplatz).
Mal sehen, was ich noch finde.
Kerstin
Zitat:
Nachtschicht hat am 20. März 2021 um 23:41 Uhr folgendes geschrieben:
Hast du nicht vor über die Jahre nach dem II WK. über die Umgestaltung der Straße zu berichten?
Reverenzpunkt scheint das Museum zu sein. Alle anderen Gebäde mussten weichen.


Archivar hatte als nächstes vor über die Geschichte des Rossplatzes zu schreiben. Ich denke dass dann auch noch Sichtachsen Richtung Heinrichstraße vorhanden sein werden.

@Archivar: Sehr schöne Ansichtskarten und Beiträge.
Golfi
Großes Lob. Geniale Bilder Top

Was ist denn das für eine Fabrik (bzw. Schornstein) auf dem 4 Bild?
Gehört der zur Buchbinderei?
Archivar
Dieser markante Schornstein mit der Bauchbinde gehörte zur Teppichfabrik Halpert & Co. An der Stelle der Fabrik befindet sich heute das Arcaden-Parkhaus.
gastli
Das Bild wurde mir gemailt.

Michi
Zitat:
gastli hat am 26. April 2021 um 14:20 Uhr folgendes geschrieben:
Das Bild wurde mir gemailt.

Sehr unscharfe Aufnahme. Lässt sich kaum etwas erkennen.
Nicht zu vergleichen mit Archivars Ansichtskarten
Archivar
Das möge sein.
Ich freue mich aber, wenn ein User mit Bildern, die zum Thema passen, dazu beiträgt, das Thema auszugestalten.
In diesem Sinne Dank an gastli.