Debatten in Deutschland – terminally challenged?
PK bezeichnet jedoch nicht nur Eingriffe in die Sprache zum Ziel des Minderheitenschutzes.123 Vielmehr handelt es sich auch um die Auseinandersetzung über die Geltung historischer und politischer Sichtweisen. Was im engeren Sinne von PC an eine bestimmte Benennung geknüpft war, tritt als eine der Spielformen von PK immer weiter aus dem eigentlichen Bereich der Sprachregelung hinaus.124
Dies hat u.a. mit der „Überzeugung von Wahlstrategen aller Parteien zu tun, nicht die politische Wirklichkeit sei wahlentscheidend, sondern die politischen Wirklichkeiten, die sich
120 Papcke, Sven: „Political Correctness“ oder die Reinigung der Sprache, APuZG B 21-22/95, S. 19.
121 Hoffmann, Arne: Political Correctness. Zwischen Sprachzensur und Minderheitenschutz, Marburg 1996, S. 7.
122 Ebd., S. 15.
123 Auch hiermit befassen sich andere Autoren dieser Arbeit.
124 Während die oft zitierte Forderung des „deutschen Herbstes“, für die Leute um die Terroristen um Andreas Baader und Ulrike Meinhof nur den abschätzigen Begriff „Bande“ und nicht den angeblich sympathisierenden Begriff „Gruppe“ zu verwenden, noch eine wirkliche Benennungsfrage zum Kern hatte, handelt es sich in Gegenwart um wesentlich komplexere Zusammenhänge.
OEI-Arbeitspapiere 36/2001 76
in den Köpfen der Wähler erzeugen lasse“125. Als wichtigstes Mittel dieser Erzeugung gilt die Sprache. Politisch gilt erst als existent, was per Sprache gegenüber der Öffentlichkeit, respektive den Medien, artikuliert wird. Anders gesagt: „Das politische Sprachspiel ist gewonnen, wenn der Gegner sich auf die angebotene Beschreibung der ´neuen´ Situation einlässt“
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Die beiden Seiten der PK-Medaille
Zu einer überbordenden Hysterie mag keine Veranlassung bestehen. Und dennoch, welche Fragen und Probleme ließen sich erörtern, ohne ein tatsächlich offenes Diskussionsklima?
Zu den grundlegenden Erfordernissen von Politikherstellungsprozessen in parlamentarischen Demokratien gehören politische Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Sie gründen auf einer ganzen „Reihe intermediärer Strukturen und Prozesse, die vor allem mit der Artikulation von Problemen und Lösungsvorschlägen verbunden sind: Parteien, Interessenverbände, ... und die sogenannte ´öffentliche Meinung´“131. „Problemlagen“ werden laut Habermas
125 Eppler, Erhard: Kavalleriepferde beim Hornsignal. Die Krise der Politik im Spiegel der Sprache, Frankfurt/M. 1992, S. 116.
126 Straßner, Erich: Ideologie – Sprache – Politik. Grundfragen ihres Zusammenhangs, Tübingen 1987, S. 23.
127 Dörner, Andreas: Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft, Frankfurt/M. 2001, S. 142.
128 Ebd., S. 143.
129 Salumun, Kurt: Sprache, Politik und Moral, in: Politicum 22/1984, S. 3.
130 Clemens, Clay: “Going Public”: Personalisierungstendenzen in der Bundesrepublik und in den USA, in: Korte, Karl-Rudolf / Hirscher, Gerhard (Hrsg.): Darstellungspolitik oder Entscheidungspolitik? Über den Wandel von Politikstilen in westlichen Demokratien, München 2000, S. 179.
131 Götze, Catherine: Humanitäre Organisationen und Zivilgesellschaft. Konzeptionelle Überlegungen zum zivilgesellschaftlichen Charakter von Nichtregierungsorganisationen, WZB papers P 98-303, S. 15.
Nies (Hg.) Political Correctness in der (inter)nationalen Politik 77
aufgenommen, kondensiert und „lautverstärkend an die politische Öffentlichkeit“132 weitergleitet. Nur wenn diese Grundbedingungen einer Debatte bzw. eines Diskurses gegeben sind, besteht die Möglichkeit dem Allgemeinwohl verpflichteter Politikherstellungsprozesse und „kollektiv verbindliche[r] Entscheidungen“133.
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